Ringvorlesung 2015

Fakt und Fiktion der Technowissenschaftskultur – über dieses Thema sprach Prof. Dr. Jutta Weber, Mediensoziologin an der Universität Paderborn. Science-Fiction-Visionen sind heute technisch machbar und die Fiktion ist heute Teil der Wissen-schaft. Das zeigt die moderne Sicherheitsforschung, so Weber … // Von Julia Froolyks

Viel Input bekamen die rund 90 Studierenden aus dem Technikjournalismus und den Ingenieurstudiengängen. Von Cyborg über Crowd Wisdom zu Big Data und das neue Unsicherheitsgefühl – Jutta Weber versetzte die Anwesenden in vergangene und zukünftige Welten und versuchte bei diesen Zeitreisen stets auch Antworten zu geben: „Der neue Begriff Technoscience ist deshalb so wichtig, weil sich Wissenschaft und Technik nicht mehr voneinander trennen lassen. Wir müssen uns aber die Frage stellen, welche technischen Forschungen sinnvoll sind und wer davon profitieren kann.“ Als Beispiel für einen solchen Forschungsbereich stellte die Mediensoziologin die berühmte Onkomaus vor – eine Maus, der via Genmanipulation ein eigens der Krebserzeugung dienendes Gen implantiert wird. Forscher erhoffen sich hieraus neue Erkenntnisse für die Bekämpfung von Krebs.

Was wäre wenn…?

Nicht nur in der Medizin spielen Gefahren eine große Rolle: Die Sicherheitsforschung befasst sich mit dem Unsicherheitsgefühl der Gesellschaft und sucht nach technischen Lösungen. Jutta Weber erklärte, wie in der Sicherheitsforschung mit Imagination gearbeitet wird: „Es sitzen mehrere Menschen monatelang an einem Schreibtisch und malen sich die allerschlimmsten Szenarien für mögliche Terroranschläge aus.“ Das bedeute doch, dass Imagination ein valides Instrument von Wissenschaft werde. Imagination sei nicht mehr nur Kunst.

Die Soziologin ist zwar überzeugt, dass diese moderne Forschungsmethode der Lösung wissenschaftlicher Probleme dient, aber die Ängste der Gesellschaft noch mehr schürt: „Niemand spricht mehr über soziale Probleme sondern über die Sicherheit für Leib und Leben. Natürlich öffnet das die Türen für Vorratsdatenspeicherung.“

Interview mit Prof. Dr. Jutta Weber

Mögliche Straftaten frühzeitig erkennen

Der Datensammelwut steht die Professorin kritisch gegenüber: Für Sie bedeutet Big Data das Datensammeln für den Fall der Fälle. Das sogenannte Scenariotesting will Welten erschaffen, die es (noch) nicht gibt. Gleichzeitig sollen diese Welten realistisch dargestellt sein. „Mit Hilfe von Datenspeicherung sollen beispielsweise Straftaten nicht nur verhindert werden; es sollen Straftaten erkannt werden, bevor sie überhaupt begangen werden.“ Dies kann zu noch mehr Vorurteilen führen. Zudem sei unsere Gesellschaft durch die Fiktionen sehr verunsichert und befürchte nur noch das Schlimmste.

Kultureller Fortschritt ist erstrebenswert

Dass Technik lange Zeit ohne den ebenso wichtigen Begriff Kultur genannt wurde, ist für Jutta Weber immer noch unverständlich: „Die Beschäftigung mit den Dingen ist doch immer auch ein Versuch, die eigne Zeit zu verstehen.“ Es ginge doch darum, zu verstehen wer wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen werden. Kritisch findet Jutta Weber auch, dass alles neu sein müsse: „Es wird immer nur von Innovation gesprochen, aber nicht mehr von Fortschritt. Kultureller Fortschritt ist dabei ebenso bedeutend.“

Was denn Fortschritt überhaupt sei, fragte sie die lauschenden Studierenden. Immer wieder bezog Jutta Weber die Zuhörer in ihren lockeren und abwechslungsreichen Vortrag ein und regte die Diskussion an. Am Ende waren sich Jutta Weber und die Studierenden aber einig: „Es war heute ganz schön viel Input und ich könnte wahrscheinlich noch viel länger hier mit Ihnen reden, aber unsere Zeit ist leider schon um.“

Sie schloss ihren 90-minütigen Vortrag mit einer persönlichen Empfehlung: „Wer sich weiterhin mit dem Thema auseinandersetzen will, dem empfehle ich Bücher von Donna Haraway.“ Auch während Jutta Webers Vortrag begleiteten Illustrationen und Zitate der Soziologin ihren Ausflug in die Technikkultur.


Anne Schiebener // Bilder: Cora Olböter // O-Töne: Jochen Herrmann // Links: David Gerits

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