Prof. Dr. Uwe Wiemken

Ob in der Ukraine, im Nahen Osten oder als diffuser Terror: Krieg ist heute überall präsent. Wie damit umzugehen ist und welche Technik heute und morgen eingesetzt werden soll, war das Thema von Professor Dr. Uwe Wiemken in der Ringvorlesung. Er appellierte an die Studierenden, sich für mehr Diskurs einzusetzen. //von Daniel Schumacher

Mit seinem Vortragsthema „Anmerkungen zur Wehrtechnik und zu ihrer ethischen Bewertung im Wandel der Zeit“ sprach Prof. Wiemken ein heikles Thema an. Wer redet schon gern über Kriegsgräuel und Technik? Man muss darüber reden, ist der ehemalige Leiter des Fraunhofer-Instituts für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT überzeugt. Die Politik und die Gesellschaft müsse sich vorausgreifender mit den zukünftigen ethischen Herausforderungen beschäftigen und dazu zähle natürlich auch der Technik-Einsatz im Krieg. Wiemken, der sich seit 40 Jahren mit Technologievorausschau befasst, schlug in seinem Vortrag einen Bogen von der Entwicklung von Feuerwaffen bis hin zur Atombombe. Dabei stellte er Fragen an die Studierenden, die niemanden kalt ließen.

„Gibt es den gerechten Krieg?“

Wie wichtig der Diskurs um Wehr- und Sicherheitstechnik ist, zeigte Wiemken am Beispiel des Drohnenkriegs und der Vorratsdatenspeicherung. Die Fragen „Dürfen wir Mitmenschen töten“ und „Gibt es den gerechten Krieg“ garantierten ihm die volle Aufmerksamkeit des gefüllten Hörsaals. Bei den Versuchen, diese Fragen zu beantworten, stellten sich rasch neue Fragen nach den passenden Definitionen für die Begriffe „Krieg“, „töten“ und „Gerechtigkeit“. Auch bei diesen scheinbar eindeutigen Begriffen taten sich weitere Fragen auf: Was ist Krieg, und so weiter

 

Interview mit Prof. Dr. Uwe Wiemken

Ein „Gesamt-Ethos“ muss entwickelt werden

Die Unsicherheit über Begrifflichkeiten ist laut Wiemken unüberschaubar geworden: „Im Laufe der Zeit haben sich viele Definitionen und Werte geändert“, sagte er. Das bedeute, dass Moralvorstellungen heute durchaus anders seien, als noch zu Zeiten des zweiten Weltkriegs. Früher lag der Fokus der Gesellschaft auf Anpassung. Heute steht die Mitbestimmung im Mittelpunkt. Das führt, so Wiemken, natürlich auch zu Konflikten. Um friedlich zusammenleben zu können, müsse ein Gesamt-Ethos geschaffen werden. „Dazu ist eine Streitkultur unvermeidbar. Diese muss allerdings gewaltlos sein“, forderte Wiemken.

Militärische Forschung dient auch zivilen Zwecken

Nach der geschichtlichen Einordnung ging Wiemken auf die stürmische technische Entwicklung ein. Die technischen Möglichkeiten hätten heute teilweise „gruselige“ Ausmaße angenommen. Dennoch ist er überzeugt, dass Forschung in jedem Bereich von großer Wichtigkeit ist: „Wenn ich militärische Forschung unterdrücke, unterdrücke ich auch zivile Forschung.“ Eine Trennung von militärischer und ziviler Forschung gäbe es heute praktisch nicht mehr.

 

Ethischer Fortschritt ist erkennbar

Trotz der erschreckenden Dimensionen von Weltkriegen und Massenvernichtung ist Wiemken nicht der Meinung, dass die Technisierung abgelehnt werden müsste. Diese fürchterlichen Erfahrungen hätten zu einem Umdenken geführt. So sei beispielsweise die Propaganda für einen „totalen Krieg“, wie sie im Dritten Reich stattgefunden hat, heute undenkbar. „Wenn heute sechs Soldaten in Afghanistan sterben, gilt das als schlimmer Kollateralschaden“, sagte Wiemken, „Früher, zum Beispiel während der Weltkriege, war das Normalität.“ Mit dem Begriff „Kollateralschaden“ ging Wiemken allerdings hart ins Gericht: „Kollateralschaden ist der Bankrott aller Ethik.“

 


Daniel Schumacher // Bilder: Özge Gök, Alexandra Burger // Video: Deniz Leimroth, Jan-Henning Klasen // Links: Deniz Leimroth

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