Die Wirtschaftswissenschaftlerin Polina Emelianova vom IWE an der Universität Köln stellt zum Auftakt der Ringvorlesung Szenarien der Dekarbonisierung vor. Foto: Pia Durth

Wie kann der Umbau unseres Energiesystems gelingen? Zum Auftakt der Ringvorlesung stellte die Volkswirtschaftlerin Polina Emelianova vom Energiewirtschaftlichen Institut EWI der Universität Köln die Erforschung von Transformationspfaden mit Hilfe von Szenarien und Modellen vor. // von Alexander Schockert            

Das EWI zählt zu 21 Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, die im Kopernikus-Projekt ENSURE das Stromnetz der Zukunft erforschen. Das Projekt umfasst die Entwicklung von Szenarien sowie die Beschreibung von Herausforderungen und Lösungen. Ziel der Forschung ist es, Wege zur Dekarbonisierung aufzuzeigen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. „Bei Szenarien handelt es sich um hypothetische Konstrukte, die bestimmte Größen und Wechselbildungen abbilden“, erklärt Polina Emelianova. Man könne Szenarien aber auch als eine Art Storytelling bezeichnen, weil sie eine Geschichte erzählen, wie verschiedene Elemente unter bestimmten Bedingungen zusammenwirken können.

 

 

„Umweltpolitische Szenarien sind in aller Regel normativ“

Polina Emelianova erklärte, wie mit Szenarien Prognosen erstellt werden. Bild: Pia Durth

Polina Emilianovas forscht im EWI zu Szenarien und stellt fest: „Umweltpolitische Szenarien sind in aller Regel normativ.“ Dabei wird ein Zielzustand bestimmt, und dann werden Maßnahmen beschrieben, um diesen Zielzustand zu erreichen. Ein Beispiel ist die Reduktion der Emissionsmengen bis 2035 und 2050. Ob die Szenarien realisierbar seien, könne man nicht vorhersagen. Die Ergebnisse der Modellberechnungen zeigten allerdings, dass in jedem Fall der Endenergieverbrauch deutlich gesenkt und der Ausbau der erneuerbaren Energie massiv erhöht werden müsse, um die gesetzten Ziele zu erreichen.

Die bisherigen Bemühungen reichen nicht aus

Für die Studierenden ist die Szenarien-Forschung ein neues Thema. Foto: Pia Durth

Die Klimaziele sehen einen vollständigen Stopp der Treibhausgasemissionen bis 2045 vor und bis 2030 eine Reduktion im Vergleich mit 1990 um 65 Prozent. Polina Emilianova beginnt mit dem Positiven: „Seit 1990 gibt es bei den Gesamtemissionen einen sinkenden Trend.“ Von 1991 bis 2000 wurden die Emissionen jährlich um 21 Millionen Tonnen gesenkt von 2001 bis 2018 allerdings nur noch um zehn Millionen Tonnen pro Jahr. „Wenn das Ziel erreicht werden soll, müssen die Emissionen von 2019 bis 2045 jährlich um 32 Millionen Tonnen zurückgehen.“ Der Pfad, der vor uns liege, sei somit viel steiler als der historische. 2022 seien die Emissionen nur um 15 Millionen Tonnen reduziert worden, das sei viel zu wenig.

Von vier ENSURE-Szenarien erreichen drei das Ziel

Das erste Szenario, das im Rahmen des Kopernikus-Projekts ENSURE entwickelt wurde, geht von einer schwachen Klimapolitik mit Kohleausstieg ab 2038 aus. Das zweite Szenario geht von einem starken Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Das dritte Szenario wiederum setzt eine stärkere europäische Bindung voraus, denn es wird von gemeinsamen Stromnetzen ausgegangen. Dies erfordert allerdings eine stärkere europäische Integration. Das vierte Szenario geht von einer dezentralen Energiewende aus, wobei es viele lokale Stromerzeuger geben würde. Darauf ist das deutsche Stromnetz momentan ebenfalls nicht ausgelegt. Bei den ersten Szenarien werden die Klimaziele nicht erreicht, bei allen anderen schon, aber auf unterschiedliche Art und Weise.

Wichtig für Klimaneutralität: Negativemissionen im Energiebereich

Eva Borchert fordert, dass Szenarien und soziale Belange berücksichtigt werden. Bild: Florian Semrau

Bei den Szenarien werden die verschiedenen Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude und Industrie betrachtet. Je nach Szenario werden die Treibhausgasemissionen in diesen Sektoren unterschiedlich stark gesenkt. Bestimmte Prozesse ließen sich auch gar nicht entkarbonisieren, sagt die Wissenschaftlerin. Allerdings gibt es im Energiesektor auch negative Emissionen, sodass das Ziel der Klimaneutralität trotzdem eingehalten werden könne. Das hört sich gut an, aber darauf verlassen könne man sich nicht, sagt Polina Emelianova. Auch bei den Szenarien gäbe es Fehlerquellen. So kann es zu Verzerrungen kommen, weil oftmals von linearen Entwicklungen ausgegangen wird. Eine andere Fehlerursache ist eine zu starke Orientierung an der Vergangenheit. Je weiter in die Zukunft geschaut wird, desto weniger Wissen ist über den Transformationsverlauf möglich.

Soziale Belange müssen beachtet werden

„Der Endenergieverbrauch muss gesenkt werden und hier können neue Technologien und die Erhöhung der Effizienz helfen“, formuliert Polina Emelianova ein wichtiges Take Away. Hier setzt die Diskussion an, die die Studierenden vorbereitet haben. Fast alle sind der Meinung, dass Photovoltaik, Windkraft, Geothermie genutzt und Wärmepumpen eingesetzt werden sollten, aber die sozialen Bedürfnisse der Menschen müssten auch berücksichtigt werden. Die Studentin Eva Borchert hat zu Grenzen von Szenarien und Modellen recherchiert und fordert: „In techno-ökonomischen Modellen sollten soziale Belange mitgedacht werden.“ Erst dann wäre das Model nachhaltig und sicherlich würde das auch die Akzeptanz der Transformation erhöhen.

 

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