Prof. Dr. Michael Lauster sprach über Prognosen. Foto: Janina Schaa

Was ist Zukunftsforschung – der Blick in die Glaskugel oder eine Wissenschaft? Mit dieser Frage stieg Professor Lauster in seinen Vortrag „Technologievorausschau – Zukunftswissen oder Spekulation?“ ein. Und ergänzte: „Sie alle sind Zukunftsforscher, denn Sie machen jeden Tag Pläne.“ // Von Vanessa Weinhold

Pläne machen, das ist seiner Meinung nach wie Zukunftsforschung und die habe es bereits in der Antike gegeben. Das Orakel von Delphi ist ein bekanntes Beispiel. Professor Lauster widmet sich der Zukunftsforschung im Rahmen von Technologievorausschau – als Leiter der Fraunhofer-Instituts INT und als Universitätsprofessor. Zukunftswissen ist nach Überzeugung von Lauster Gegenwartswissen. Von der Gegenwart müsse ausgegangen werden, um auf die Zukunft zu schließen. Das dürfe aber nicht mit dem Blick in die Glaskugel oder reiner Spekulation verwechselt werden. Ähnliche Gedanken machten sich bereits Gelehrte in Babylon über das Zukunftswissen und hielten in Keilschrift fest: Die Zukunft ist wie die Vergangenheit. Das Wissen um die Zukunft – ob im alten Babylon oder heute – ist den Menschen so wichtig, weil es Sicherheit gibt. Über Wissen muss der Mensch nicht nachdenken. Über Vermutungen schon.

Wissen ist wahre und gerechtfertigte Überzeugung

Wie kann man Wissen definieren? Der Philosoph Plato sagte, dass Wissen wahre und gerechtfertigte Überzeugung ist. Daraus lässt sich ableiten, dass etwas als Wissen bezeichnet werden kann, wenn es der Wahrheit entspricht. Außerdem muss es gerechtfertigt sein. Gerechtfertigt ist etwas, wenn es erklärt und verstanden werden kann. In den Natur- und Geisteswissenschaften gibt es unterschiedliche Ansätze für das Erklären, unstrittig ist aber, dass sich die Wahrheit nur auf die Gegenwart beziehen kann.

Drei Fragen an Prof. Lauster

Prognosen konstruieren die Zukunft

Wahrheit gibt es nur im Hier und Jetzt, Wissen kann deshalb nur Gegenwartswissen sein. Dennoch benötigen wir Prognosen, die uns bei Entscheidungen helfen sollen. Mit Prognosen werden mögliche Zukunftsszenarien konstruiert, ohne dass sich eine wahre Zukunft definieren lasse. Wie falsch sogar die Prognosen von ausgewiesenen Experten sein können, zeigen die Beispiel von Thomas Watson, der als IBM-Vorsitzender 1958 den Weltmarkt von Computern auf fünf Stück schätzte. Auch der Geschäftsmann Alan Sugar lag mit seiner Prognose, dass der iPod ein Flop werden würde, grandios daneben. „Prognosen erzählen nicht von zukünftigen Gegenwarten, sondern von gegenwärtigen Zukünften“, brachte es Lauster auf den Punkt. Technik erfordert Technologievorausschau. Die Technologievorausschau bietet keine Sicherheit, ist aber zwingend notwendig für das Leben im 21. Jahrhundert. Dies veranschaulichte Lauster anhand des Beispiels Stromausfall in einem Wolkenkratzer. Im dreizehnten Stock, ohne Strom, eingesperrt zu sein: Diese Idee hat keinem der Studierenden gefallen. Je abhängiger der Mensch von Technik ist, desto wichtiger ist es zu wissen, was in Zukunft möglich sein kann. Das autonome Fahren oder Genforschung sind nur zwei von vielen Bereichen, mit denen sich die Zukunftsforscher befassen. Mittlerweile gibt es Technologien, mit denen sich die Menschheit selbst ausrotten könne. Mit dem Zitat des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme „Wir sind die erste Generation, die sich keine Fehler mehr erlauben darf,“ unterstrich Lauster sein Plädoyer für die Technologievorausschau.

Impressionen aus der Ringvorlesung


Vom Offizier zum Institutsleiter

Lächelnd, mit ruhiger Stimme und lockerer Haltung, so steht Prof. Lauster vor den Zuhörern. Sein Thema in der Ringvorlesung lautet: Erkenntnismöglichkeiten über das Zukünftige. Im Alltag leitet er das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen in Euskirchen und ist zudem Inhaber des Lehrstuhls für Technologieanalysen und -vorausschau auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung an der RWTH Aachen. Vor seiner Karriere als Wissenschaftler war er Offizier bei der Luftwaffe und befasste sich vornehmlich mit der Entwicklung von Luftfahrtsystemen. Sein Fazit in der Ringvorlesung lautete: „Zukunftswissen ist eigentlich Gegenwartswissen. Denn alles was in der Zukunft liegt, sind Vermutungen.“ // Von Ilgaz Yorulmaz


Links und Erläuterungen zum Vortrag von Prof. Lauster

Übergabe Institutsleitung

Dieser Link führt auf die Seite der Fraunhofer Gesellschaft. Auf der Seite wird die Übernahme der Institutsleitung durch Prof. Lauster bekanntgegeben sowie ein kleiner Teil seines Werdegangs beschrieben.

Östereichische Akademie der Wissenschaft

Dieser Link führt zur Seite des Instituts der Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaft. Im folgenden Artikel wird erläutert, wozu Foresight dient und wie es funktioniert. Es werden kurz die verschiedenen Foresight-Methoden angesprochen wie zum Beispiel der Unterschied zwischen ExpertInnen, orientiertem Foresight und partizipativen Foresight.

RWTH: Technologieanalysen

Dieser Link führt zu der Internetseite der RWTH Aachen und enthält eine kleine Zusammenfassung des Lehrstuhls für Technologieanalysen und Vorausschau in der Sicherheitsforschung. Es finden sich Informationen über die Studienrichtung und Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls.

BMBF: Foresight Prozess

Dieser Link führt zu der Seite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (kurz BMBF) und enthält einen Artikel zum Foresight Prozess. Am Ende des Artikels befindet sich eine PDF-Datei unter der Rubrik Publikationen. Darunter befinden sich die Ergebnisse des zweiten Foresight-Zyklus.

IHK: Innovation

Dieser Link führt zu der Homepage der IHK Bonn. Die Seite enthält ein Interview mit Prof. Lauster in dem von innovativen Trends in Unternehmen die Rede ist. Prof. Lauster erklärt unter anderem anhand eines Beispiels den Weg von Trends zu innovativen Produkten. Unter anderem erläutert er wie das Fraunhofer INT Unternehmen mit seinen Analysen unterstützt.


Porträt: Ilgaz Yorulmaz // Linkliste: Deborah Mehmetaj // Bilder und Audioslideshow: Fabian Haase und Janina Schaa // Video: Steffen Schurr und Marc Werheit

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