Wie ist es um die biologische Vielfalt in Deutschland bestellt? Und wie können wir sie nachhaltig schützen? Das waren die Fragen, denen Dr. Uwe Riecken vom Bundesamt für Naturschutz in seinem Vortrag am 20. Juni an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nachgegangen ist. Dabei stellte sich heraus, dass erneuerbare Energien nicht automatisch die Natur schützen. // Von Alexandra Leukers

11.7.2013 // Windkrafträder, die nicht mehr auf Wiesen oder Feldern stehen, sondern auf den Dächern von Gebäuden montiert sind. Sieht so ein sinnvoller Einsatz erneuerbarer Energien aus, der natürliche Lebensräume erhält? Nach den Vorstellungen von Dr. Uwe Riecken gehen solche Szenarien in die richtige Richtung. In seinem Vortrag machte er die Zuhörer und Zuhörerinnen darauf aufmerksam, dass erneuerbare Energien aus der Sicht der Naturschützer ein Dilemma darstellen.

Das Dilemma mit den erneuerbaren Energien

So seien die Anbaumethoden für nachwachsende Rohstoffe oft nicht nachhaltig. Einige Fischarten, wie Lachse, fänden keinen Lebensraum mehr, wenn Flüsse und Bäche gestaut werden, um Wasserenergie zu gewinnen. Und Windkraftanlagen seien eine große Gefahr für Vögel und Fledermäuse. „Das zeigt, dass die Lösung unserer Energieprobleme sehr komplex ist und dass Naturschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden muss“, so Rieckens Appell.

Es gibt wieder mehr Elbebiber

Doch zunächst ging der Naturschützer in seinem Vortrag „Zurück in die Zukunft? – Naturschutz im Spannungsfeld von Tradition, aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen“ auf positive Trends ein. So gibt es heute zum Beispiel achtzigmal so viele Elbebiber in Brandenburg wie vor sechzig Jahren, weil die Menschen aufgehört haben, die Biber zu verfolgen. Das ist ein Beispiel dafür, dass wir durchaus in der Lage sind, einen Verlust an „biologischer Vielfalt“, also an Arten- und genetischer Vielfalt, aber auch an verschiedenen Lebensräumen und natürlichen Prozessen, aufzuhalten und sogar umzukehren.

Die Weltmeere sind überfischt

Es gibt aber auch negative Trends. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit leben immer weniger Kriechtiere und Amphibien wie etwa Frösche. Zudem sind viele Vogelarten bedroht. „Am Niederrhein sind Ihnen vor fünfzig Jahren die Feldlerchen um die Ohren geflogen“, sagte Rieken. „Diese sind im Moment die absoluten Verlierer.“ Als mögliche Ursachen vermutete ein Student die Agrarwirtschaft, ein anderer den Straßenbau. Riecken ergänzte die Meeres- und Binnenfischerei und erklärte, dass mittlerweile weite Bereiche der Weltmeere überfischt sind. Als weiteres Problem nannte er den Torfabbau, den er als „Raubbau an Mooren“ bezeichnete. Und er kritisierte, dass die Europäische Union eine intensive Landwirtschaft fördert: „Das ist natürlich tödlich.“

Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt

Doch politische Interventionen können auch hilfreich sein. Eine ist die nationale Biodiversitätsstrategie (NBS). So sollen zum Beispiel zwei Prozent der Fläche Deutschlands wieder zu Wildnisgebieten werden, in denen natürliche Vorgänge ungestört ablaufen können. Zurzeit trifft das nur auf etwa 0,5 Prozent der Fläche zu. Am Beispiel von halboffenen Weidelandschaften zeigte Riecken, wie man naturähnliche Lebensräume erhalten kann, ohne auf einen landwirtschaftlichen Nutzen verzichten zu müssen. Robuste Rinder- und Pferderassen ließen sich problemlos so halten, und oft könne man diese traditionelle Art der Landwirtschaft auch touristisch vermarkten.

Schädlicher Eingriff in die Natur: Strände voller Badeliegen

Ein Zuhörer wollte wissen, wie schädlich der ein oder andere Eingriff in die Natur tatsächlich ist und ob vieles nicht einfach nur das Auge des Betrachters stört. Der Mitarbeiter des Bundesamtes für Naturschutz mochte diese Frage nicht pauschal beantworten. Riecken nannte Strände voller Badeliegen oder Skigebiete als Beispiele für wirklich schädliche Eingriffe in die Natur und plädierte dafür, Flächen mehrfach zu nutzen. Es sei schließlich kein Problem, Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächer zu bauen statt auf bislang ungenutzte Flächen.

Bundesamt für Naturschutz (BfN)

Informationen zum Aufgabengebiet von Dr. Uwe Riecken auf den Seiten des BfN

Text: Alexandra Leukers // Video: Christoph Weiffen und Nils Gockel

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