Bei der Energiewende müssen alle an einem Strang ziehen: Politiker, die Industrie und jeder Einzelne. Doch wie kann das gelingen? Antworten von Professor Manfred Fischedick. // Von Christoph Güttner
24.05.2013 // Hörsaal vier füllt sich langsam und es herrscht eine angeregte Stimmung. Professor Dr. Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie freut sich auf interessierte Zuhörer und auf eine spannende Diskussion. „Hintergrund, Ziele und Meilensteine der Energiewende in Deutschland“ ist das Thema, das er sich am 2. Mai an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg vorgenommen hat.
Internationale Energiewende
Seit dem Reaktorunglück von Fukushima im Jahr 2011 ist die Diskussion über die Energiewende und den Ausstieg aus der Atomenergie neu entflammt. Die Bundesregierung änderte ihre politische Strategie um 180 Grad: von der Laufzeitverlängerung zum Komplettausstieg bis 2022.
Zwei Jahre nach Fukushima verdeutlichte Professor Manfred Fischedick den Zuhörern seines Vortrags, dass die Energiewende nicht nur ein deutsches, sondern ein internationales Thema ist. Die Europäische Union (EU) habe die gleichen Vorhaben wie die Bundesregierung: die Halbierung des Energieverbrauchs bis 2050.
Wie die Energiewende ihren Weg von der EU über die Bundesregierung und die Bundesländer bis hin zu den Kommunen findet, verdeutlichte Fischedick an einem Beispiel: Die Stadt Bottrop im Ruhrgebiet hat sich vorgenommen, mit gutem Beispiel voranzugehen und ihren Energieverbrauch drastisch zu reduzieren. Dabei bezieht sie die Bürger aktiv in die Planungen ein.
Masterplan fehlt
Doch abgesehen von solch positiven Beispielen verhindern laut Fischedick viele verschiedene Player eine systematische Umsetzung. In Deutschland hätten allein acht Ministerien mit der Energiewende zu tun. Und oft seien die politischen Entscheidungen zum Thema Energiewende für die Bürger undurchsichtig, so seine Analyse. Mangelnde oder schlechte Kommunikation führten zu einer ablehnenden Haltung in der Bevölkerung. So sei noch nicht ausreichend verdeutlicht worden, wie der Ausbau der Hochspannungsleitungen verlaufen soll und welche Kosten er verursachen wird.
Fischedick nannte diese Fakten: Notwendig sind in Deutschland rund 3.800 Kilometer Stromleitungen, um den Strom vom Norden in den Süden zu bringen. Dafür werden nach aktuellen Schätzungen rund 20 Milliarden Euro veranschlagt. Und etwa ein Sechstel der deutschen Bevölkerung lebt in Gemeinden, die von diesem Netzausbau betroffen sind.
Energiewende kommunizieren
„Wie bekommen wir eine gesellschaftliche Rückendeckung für die Energiewende und wie schaffen wir nachhaltige Konsummuster?“, fragte Manfred Fischedick die Zuhörer. Seine Antwort: Damit die Energiewende nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch akzeptiert wird und eine Umsetzungskultur entsteht, bedarf es guter und umfassender Kommunikation. Dazu komme die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel als sogenannte Prosumer. Das sind Menschen, die mit eigenen Photovoltaik-Anlagen auf dem Hausdach Strom erzeugen, in Windenergieanlagen oder Stromtrassen investieren und somit zugleich Energieproduzent und -verbraucher sind.
Homepage der Modellstadt Bochum als InnovationCity Ruhr
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie
Fukushima-Informationsportal der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH
Das Energiekonzept der Bundesregierung:
Christoph Güttner // Kurzporträt: Christian Siegel // Bildergalerie: Nicole Kuska