Heizen mit Öl und Gas ist für rund 15 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Auch 2022 verfehlte der Gebäudesektor seine Klimaziele – trotz aller Einsparungen. Für Ingo Groß, Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, gibt es einfache Methoden, um die Emissionen drastisch zu verringern. // von Leonie Ebisch
Im Juni diskutiert ganz Deutschland über den Entwurf zum neuen Gebäudeenergiegesetz, kurz Heizungsgesetz: Die Nachrichten überschlagen sind, keine Talkshow lässt das Thema aus. Doch eigenen sich Wärmepumpen für Altbauten? Und wer soll das bezahlen? Ingo Groß präsentiert in seinem Vortrag: „Nachhaltige Versorgung mit Wärme und Strom am Beispiel eines Nullenergiekostenhauses“ andere Lösungen. Und er überrascht das Auditorium mit seinem Statement: „Manche Dinge sind sehr einfach.“ Sein Ziel ist es, jungen Menschen zu erklären, wie sie ihr eigenes Nullenergiekosten-Haus entwickeln können. Er betont, dass viele Probleme der Energiewende nicht so komplex sind, wie es den Anschein hat.
Ein Haus ist wie ein Eimer mit Löchern
Ingo Groß lebt selbst seit 20 Jahren in einem Nullenergiekostenhaus. Zunächst erklärt er, wohin die Energie geht, mit der ein Haus beheizt wird: nach draußen. Er vergleicht ein Haus mit einem Eimer mit Löchern und die Heizungsenergie mit Wasser. Füllt man den Eimer mit Wasser, läuft es aus den Löchern heraus. Genauso entweicht auch die Heizungsenergie aus dem Haus. Um die Temperatur im Haus aufrechtzuerhalten, muss also immer mehr Energie zugeführt werden. In einem herkömmlichen Haus beträgt die Heizleistung daher etwa 20 bis 30 Kilowatt, während sie in seinem Nullenergiekostenhaus nur etwa zwei Kilowatt betragen muss.
Dämmung ist der Schlüssel zum Energiesparen
Um ein Nullenergiekostenhaus zu verstehen, erklärte Professor Groß den Zuhörern den Wärmedurchgangskoeffizient, genannt U-Wert. Er gibt das Wärmetransportverhalten der Bauteile zwischen Innen- und Außenluft an. Je kleiner der Koeffizient ist, desto weniger Energie geht verloren. Je kleiner die Wandflächen, je dicker die Wände und je wärmeundurchlässiger die Baustoffe sind, desto geringer ist der U-Wert. Durch die richtige Kombination von Baustoffen kann ermittelt werden, wie das Haus optimal gedämmt werden muss.
Technik ist entscheidend, nicht das Aussehen des Hauses
Zusätzlich zur guten Dämmung empfiehlt Groß eine automatische Verschattung von Fenster- und Glasflächen sowie regenerative Energieerzeugung. Solarenergie für Heizung und Warmwasserbereitung, Photovoltaik für Stromerzeugung sowie Wärmeentzug aus dem Erdreich mithilfe einer Wärmepumpe sind einige der Möglichkeiten. Es ist wichtig, dass diese Systeme automatisiert zusammenarbeiten, um maximale Effizienz zu gewährleisten. Professor Groß betont, dass ein Nullenergiekosten-Haus nicht zwangsläufig ein modernes und futuristisches Aussehen haben muss. Jede Architektur könne die genannten Techniken integrieren.
Wärmepumpen und Lüftungssysteme
Auch auf Wärmpumpen geht Ingo Groß ein: Durch eine effektive Dämmung sei eine geringere Leistung der Wärmepumpe erforderlich. Dies bedeute, dass Kosten gespart werden könnten. Außerdem nutze die Wärmepumpe regenerative Energie und ermögliche im Sommer eine einfache Kühlung des Hauses. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei beim Nullenergiekostenhaus ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung. Die Lüftung würde kontinuierlich mit Hilfe von zwei Gleichstromventilatoren für frische Luft sorgen und die Luft würde alle zwei Stunden komplett ausgetauscht. Das System biete den zusätzlichen Vorteil, dass keine Insekten, Spinnen oder sogar Pollen ins Haus gelangen.
Erprobtes Konzept zum Energiesparen
Zusammenfassend betont Professor Ingo Groß, dass der Schlüssel zu einem Nullenergiekosten-Haus nicht in komplexer Technik liegt, sondern in einer trivialen Dämmung, der Verschattung sowie dem Einsatz von Wärmepumpe, Solarthermie, Photovoltaik und Lüftungsanlage. Mit einer intelligenten Steuerung, die die begrenzten Speichermöglichkeiten des Hause optimal nutze, könnten die Energiekosten des gesamten Hauses gedeckt werden. Dadurch könnten Bau- und Betriebskosten der Anlagen gesenkt werden, während gleichzeitig eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung gewährleistet werde. Die Studierenden, die zu verschiedenen Projekten und Technologien energiesparender Gebäudestandards recherchiert hatten, sind überrascht, wie einfach Energiesparmaßnahmen im Gebäudesektor sind.
Infokasten zum „Heizungsgesetz“
Ab dem 1. Januar 2024 sollen möglichst alle neu eingebauten Heizungen in Haushalten mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Dies ist ein klares Signal für nachhaltige Investitionen in neue Heizungssysteme. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt auch darauf ab, Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral zu machen. Damit werden die Bemühungen zur Reduzierung der Emissionen im Gebäudesektor verstärkt. Im Jahr 2022 trug dieser Sektor mit 112 Millionen Tonnen CO2 zu den Gesamtemissionen bei, obwohl das Klimaschutzgesetz nur 107 Millionen Tonnen erlaubt.
Interessante Links:
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/neues-gebaeudeenergiegesetz-2184942
Q&A zum Gebäudeenergiegesetz: Information der Bundesregierung vom 5. Juli 2023, dass die zweite und dritte Lesung des Gesetzes auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben wird. Zudem gibt der Artikel Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Gesetz. - https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/neues-gebaeudeenergiegesetz-2184942
Q&A zum Gebäudeenergiegesetz: Information der Bundesregierung vom 5. Juli 2023, dass die zweite und dritte Lesung des Gesetzes auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben wird. Zudem gibt der Artikel Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Gesetz. - https://www.h-brs.de/de/emt/ingo-gross
Profil von Prof. Dr. Ingo Groß, Professor für Automatisierungstechnik und Fachstudienberater Elektrotechnik und Kooperatives Studium Elektrotechnik/Präsidialbeauftragter für Schulkontakte an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, mit seinen Schwerpunkte in Forschung und Lehre.