„Forschung und Innovation für eine globale Energiewende“ lautet der Vortrag von Magistra Sabine Mitter aus Wien. Für die Umweltwissenschaftlerin sind große Anstrengungen und die internationale Zusammenarbeit für das Erreichen der Klimaziele und die nachhaltige Energieversorgung unverzichtbar. // von Alexander Schockert
Der Zugang zu sauberer Energie ist eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, die die Weltgemeinschaft 2015 in Paris formuliert hat. Daraus folgt, dass die Energiewende – die Umstellung von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien – eine Aufgabe in allen Weltregionen ist. Die Gastrednerin Magistra Sabine Mitter vom Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie BMK hält die globale Energiewende für möglich, betont aber: „Für dieses Ziel sind viele Anstrengungen und ein gesellschaftlicher Wandel notwendig.“ Die Bemühungen für eine nachhaltige Energieversorgung ist für sie auch eine Gerechtigkeitsfrage: Der Klimawandel bedrohe die Menschen in allen Erdteilen sowie künftige Generationen, aber Zugang zu Energie und damit Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung hätten vornehmlich die Industrieländer.
Die Erderwärmung nimmt zu
Sabine Mitter zitiert beunruhigende Fakten aus dem Sachstandsbericht des Internationalen Klimarates IPCC: Das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, könne zwar noch erreicht werden, aber aktuell befinde sich die Menschheit auf einem Pfad, der auf eine Erwärmung von 2,5 Grad hinauslaufe. Ihrer Meinung nach müsste die Menschheit kämpfen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. „Jedes Zehntel Grad ist wichtig und dafür müssen wir kämpfen.“ Sie warnt zudem vor sogenannten Kippelementen des Klimawandels. Dabei handelt es sich um nicht reversible und sich selbst verstärkende Vorgänge, die zu einer Verstärkung des Klimawandels führen. Als Beispiele nennt sie das Abschmelzen der Gletscher, das Auftauen von Permafrostböden und das Abholzen des Regenwaldes. Die stärksten Folgen dieser Prozesse betrifft die nächste Generation, die unter den Folgen dieser irreversiblen Vorgänge leiden wird. Ungerecht sei auch, dass insbesondere die Armen unter den Klimafolgen leiden würden, obwohl sie nicht die Verursacher der Erwärmung seien.
Ausbau der erneuerbaren Energie muss schneller gehen
Die Richtschnur für die Energiewende in Europa wird vom European Green Deal vorgegeben, bei dem es sich nicht nur um einen Umweltplan, sondern auch um einen Wachstumsplan handele. Die Internationale Energieagentur IEA formuliert insgesamt 400 Maßnahmen, um die Energiewende bis 2050 zu erreichen, berichtet Sabine Mitter, die sich auch in dieser Organisation engagiert. Die Umsetzung ließe allerdings zu wünschen übrig: „Der Ausbau der Erneuerbaren muss rascher geschehen.“ Eine dieser Maßnahmen sei es beispielsweise, bis 2050 keine neuen Gas- und Ölfelder zuzulassen. Trotzdem gäbe es in den USA und Kanada noch Neuzulassungen.
Forschung, Innovationen und Kooperationen
Auch müssten bestimmte Technologien weiterentwickelt werden, wie zum Beispiel innovative Batterien, Speichertechnologien und Sektorkoppellung. Allerdings gäbe es noch weitere Hürden. Viele Länder seien von einigen wenigen Lieferanten abhängig. Rohstoffe wie Kobalt, Lithium oder Kupfer kämen nur in wenigen Ländern vor. Sabine Mitter hält es für wichtig, dass die Europäische Union beim Einkauf dieser für die Energiewende so wichtigen Elemente geschlossen vorgeht und gemeinsam Handelsabkommen abschließt. Es sei auch wichtig, dass diese wichtigen Rohstoffe recycelt würden.
Energieforschung in Österreich
Sabine Mitter gibt einen Überblick über Forschungsprojekte, die die Energiewende voranbringen sollen. Geforscht wird zu zentralen Themen wie beispielsweise der Nutzung und Speicherung von Wasserstoff, Langzeitwärmespeichern, innovativen Dünnschicht-Photovoltaikmodulen und Rotationswärmepumpen für die Industrie. Sie geht auch auf verschiedene Ansätze zur Wärme- und Energieversorgung in Österreich ein. Momentan seien 25 Prozent der Haushalte in Österreich an Fernwärme angeschlossen. Ein möglicher Ansatz seien lokale Energiegemeinschaften. Diese Gemeinschaften könnten die Energieversorgung lokal sichern, wenn es einen Blackout geben sollte. Für das Energiesystem von morgen müssten moderne Steuerungs- und Datensysteme erforscht werden.
Chancengleichheit ist ein Querschnittsthema
Die Chancengleichheit ist für Sabine Mitter ein wichtiger Aspekt in der Forschungsförderung: „Chancengleichheit ist ein Querschnittsthema, das wir überall mitdenken müssen.“ Aktuell sei der Anteil von Frauen in der Energieforschung noch sehr gering, aber es ginge auch nicht nur um den Frauenanteil, sondern allgemein um mehr Diversität. In der anschließenden Diskussion wurde die Verantwortung von Deutschland für die internationale Energiewende angesprochen – sowohl in der Forschung als auch beim Technologietransfer. Zudem wird die Option diskutiert, Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre zu entziehen. Laut IPCC wird diese Technologie benötigt, um die Klimaziele zu erreichen, auch wenn die Speicherung von CO2 schwierig sein dürfte und es nur eine Brückentechnologie wäre. Die Studierenden und die Gastrednerin sind sich einig, dass ungeachtet aller technischen Möglichkeiten zur Abscheidung und Speicherung von CO2 versucht werden sollte, die Emissionen von Klimagasen in allen Ländern zu reduzieren.
Interessante Links:
- o.V./ Wiener Zeitung (2023): Erneuerbare Energien im Aufwind. Online unter https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2179233-Erneuerbare-Energien-im-Aufwind.html [Abrufdatum: 18.05.2023]Hohe Akzeptanz für die Energiewende in Österreich: Die Tageszeitung „Wiener Zeitung“ berichtet im Februar 2023 über eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup. Demnach wünschen sich die Österreicherinnen und Österreicher mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energie.