Tsunamis, Überschwemmungen und Lawinen – wie hoch ist das Risiko und wie schützt sich der Mensch? Professor Jakob Rhyner zeigte die großen Unterschiede zwischen früher und heute, verschiedenen Ländern, arm und reich auf. Seiner Meinung nach trägt der Mensch die Verantwortung. // Von Sarah Dobrowolski

04.05.2014 // Schonender Umgang mit der Umwelt sollte schon in der Schule erlernt werden. Diese These vertrat Jakob Rhyner bei seinem Vortrag an der Hochschule Bonn–Rhein–Sieg. Der Vizerektor der Universität der Vereinten Nationen in Europa sprach am 3. April 2014 zum Auftakt der Ringvorlesung Technik- und Umweltethik über den Umgang mit Umweltrisiken – früher und heute – hier und anderswo. Dabei stellte er die Folgen von Klimawandel, Naturgefahren und globalem gesellschaftlichen Wandel für Mensch und Natur heraus und ging auf die Bewältigung dieser Gefahren ein. Ein Fazit seiner Beobachtungen: Während es in Deutschland kaum Umweltrisiken gibt, sind insbesondere in armen Ländern viele Menschen bedroht.

Der gebürtige Schweizer zeigte zu Beginn der Präsentation ein Foto aus seinem Heimatort. Es zeigte schneebedeckte Berge, von denen sich naturgemäß Lawinen lösen können. Wie ein roter Faden zogen sich Beispiele aus seiner Heimat durch den Abend. Die Schilderungen seiner persönlichen Erfahrungen, „gewürzt“ mit dem heimischen Dialekt, fesselten Zuhörerinnen und Zuhörer.

Umgang mit Risiken: die Schweiz als Modell

Als ehemaliger Leiter des Instituts für Schnee und Lawinenforschung ist Rhyner ein Experte für Risikobewertung. „Die Schweiz hat bereits viele Erfahrungen bei der Lawinenwarnung“, sagte er. Die hier beobachteten Auswirkungen und die Erfahrungen mit Schutzvorkehrungen galten daher auch als Vorbild für den Aufbau von Warnsystemen vor anderen Naturgefahren, insbesondere vor Hochwasser. Die Erhebung wissenschaftlicher Daten ermöglicht eine relativ genaue Vorhersage. Liegt eine Ortschaft in einer als Gefahrenzone definierten Region, müsse überlegt werden, welche Maßnahmen den besten Schutz bieten. „Viel Sicherheit für wenig Geld“ laute die Devise.

Drei Fragen an: Prof. Dr. Rhyner | Ringvorlesung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 2014

Was sagen Umweltschützer?

Die Entscheidungsträger dürfen Umweltrisiken nicht isoliert betrachten, sondern müssen auch die Interessen der Menschen berücksichtigen, sagte Rhyner. Heute würde zunehmend die Gesellschaft Einfluss auf die Sicherheitsvorkehrungen nehmen. Zum Beispiel würden sich Umweltschützer beim Lawinenschutz für geringere Eingriffe in die Natur einsetzen – auch wenn dadurch das Risiko stiege.

Wichtiger Faktor im Risikomanagement: die Wahrscheinlichkeit

Im Hinblick auf Naturgefahren sei vor allem die Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Faktor im Risikomanagement. „Wie wahrscheinlich eine Naturgefahr ist, wie oft sie eintritt und wie sie kommuniziert werden soll, stellt für uns eine große Herausforderung dar“, berichtete Rhyner. Eine Gefahr, ob in Technik oder Natur, weise immer einen nicht kalkulierbaren Teil auf. Früher galt dieser als Werk des Teufels. Rhyner führte als Beispiel den Teufelsstein von Göschenen an: Nach dieser Sage von Wilhelm Tell hatte der Teufel beim gefährlichen Bau einer Brücke im Kanton Uri seine Finger im Spiel. Stürzte das Bauwerk ein, war dies sein Werk. „Heute hat der Teufel einen neuen Namen: Wahrscheinlichkeit“, sagte Rhyner.

Ärmere Regionen schlechter vor Naturkatastrophen geschützt

Aktuell ist das Konzept der Schutzziele im Risikomanagement von großer Bedeu-tung. In der Praxis wurde erkannt, dass bestimmte Regionen nicht ohne gelegentliche Schäden bewohnbar sind. „Im Straßenverkehr haben wir Tote längst akzeptiert, bei akuten Gefahren ist das noch immer gewöhnungsbedürftig“, stellte Rhyner fest. Vergleiche man die Risiken im europäischen Raum mit anderen Ländern wie Mozambique oder Bangladesch, stelle sich die Frage: „Wie verteilt man die Kosten für Sicherheit?“ Denn Armut spiele beim Risikomanagement eine große Rolle – ärmere Länder sind laut Rhyner schlechter auf Katastrophen und die Bewältigung ihrer Folgen vorbereitet.

Risiko Nummer eins: menschliche Eingriffe in die Natur

„Risiken werden oft unterschätzt solange nichts passiert und überschätzt nach dem etwas passiert ist“, berichtete Rhyner. „Der Mensch und seine Aktivitäten stellen seit Generationen das größte Umweltrisiko dar.“ Jeder Eingriff in die Natur könne weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Für Rhyner ist deshalb die Ausbildung und Wissensvermittlung ein zentraler Schritt zur Verminderung von Umweltrisiken. Die Kenntnis über Umweltprobleme und Lösungsmöglichkeiten sollten seiner Ansicht nach bereits in Schulen vermittelt werden.

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