Die Agenda 2030 umfasst 17 neue Nachhaltigkeitsziele, aber wird sie die Weltgemeinschaft erreichen? Was ist angesichts von Klimawandel und Umweltzerstörung überhaupt noch möglich? Prof. Klaus Töpfer ist überzeugt, dass jeder einen Beitrag leisten kann. Über das eigene Handeln nachdenken und Verantwortung übernehmen, das könnte zum großen Ziel beitragen. // Von Sarah-Jane Gelz
Zum Auftakt der Ringvorlesung Technik- und Umweltethik 2016 hielt Prof. Klaus Töpfer einen Vortrag über die Nachhaltigkeit im Anthropozän. Kritisch hinterfragte er, ob beides überhaupt miteinander zu verbinden sei. Trotz drohender Klimakatastrophen und aller ungelöster Probleme zeigte er jedoch auch Lösungen auf. Das Nachdenken über das eigene Tun steht seiner Meinung nach am Anfang: „Nachhaltigkeit hat etwas mit Ethik zu tun“, sagte er.
Nachhaltigkeit kommt aus der Waldwirtschaft
Am Beispiel von Carl von Carlowitz erklärte Klaus Töpfer das Prinzip der Nachhaltigkeit. Carlowitz beschrieb bereits vor gut 300 Jahren, dass ein Wald nur dann dauerhaft erhalten bleibt (und damit auch von den nachfolgenden Generationen genutzt werden kann), wenn nicht mehr Holz gefällt wird, als nachwachsen kann. Erstmalig hat Carlowitz damit die Dimension der Zeit aufgegriffen: Was bedeutet mein jetziges Tun für die Zukunft?
Die Diktatur der Kurzfristigkeit
Heute sei die Beschleunigung der Wissensermittlung eines der Hauptprobleme. Die heutigen Bedürfnisse würden in den Vordergrund gestellt und die künftigen zu wenig beachtet. „Wir sind so etwas wie eine Nebenfolgengesellschaft geworden“, erklärte Töpfer. Die kommenden Generationen müssten für unsere Fehler bezahlen. In diesem Zusammenhang erwähnte Klaus Töpfer den Philosophen Karl Jonas. Dieser forderte, dass „das Wissen dem Ausmaß des Handelns größengleich sein müsste“. Heute würden dagegen viele Entscheidungen auf unvollständigen Informationen aufbauen.
Interview mit Prof. Dr. Klaus Töpfer – Agenda 2030
Das vom Menschen geprägte Erdzeitalter
Die Ausmaße menschlichen Handelns sind mittlerweile so groß, dass Wissenschaftler vom Anthropozän sprechen, dem vom Menschen geprägten Erdzeitalter. Nachgewiesen ist, dass die Verbrennung von Öl zum Klimawandel beiträgt. Der Mensch ist auch der Verursacher von Umweltkatastrophen, wie zum Beispiel die radioaktive Verseuchung in Fukushima. Klaus Töpfer unterstrich, dass Wissenschaftler und Ingenieure gefragt seien, um die Zukunft zu gestalten. So wird beispielsweise im Potsdam Memorandum von 2007, einer Stellungnahme bedeutender Klimaexperten, darauf hingewiesen, dass Climate-Engineering in der Zukunft benötigt wird. Climate-Engineering sind großtechnische Maßnahmen zur Beeinflussung des Klimas. Die wichtigste Forderung der Experten, der Ausbau der erneuerbaren Energien, ist in Deutschland laut Töpfer auf einem guten Weg. „Visionen sind möglich“, sagte er.
Verantwortung übernehmen, für Gerechtigkeit sorgen
Fortschritte im eigenen Land sind ein erster Schritt, auf den weitere folgen müssen. Arme Länder leiden unter den Folgen des Klimawandels, für den die Industriestaaten verantwortlich sind, besonders stark. Diese Abwälzung der Folgen unseres Lebensstils auf Andere bezeichnete Töpfer als „ökologische Aggression“. Seiner Meinung nach darf es bei der Nutzung natürlicher Ressourcen keinen Unterschied zwischen den Industriestaaten und Entwicklungsländern geben. Viel mehr sei auch Deutschland ein Entwicklungsland, da auch hier am vorausschauenden Handeln gearbeitet werden müsse. Die Klimakonferenz in Paris habe verlangt, dass alle zur Beteiligung angehalten seien. „Wir wollen uns bewusst sein, dass wir nicht mehr auf Kosten anderer leben wollen“, zitierte Klaus Töpfer den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Wenn wir uns für mehr Gerechtigkeit einsetzen würden, wäre das ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele.
Botschafter für Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit vordenken und vormachen, dafür steht Prof. Dr. Klaus Töpfer. Der ehemalige Bundesumweltminister und Bauminister gilt schon länger als der inoffizielle Botschafter der Energiewende. Mit seinem unermüdlichen Engagement gelingt es Töpfer, auch noch lange nach seiner Tätigkeit in der Bundesregierung, sich und seinen Themen zu drängenden globalen Umweltproblemen Gehör zu verschaffen. Von 1998 bis 2006 war er Exekutiv-Direktor des UN-Umweltprogramms (UNEP) in Nairobi (Kenia). Klaus Töpfer ist zudem Gründungsdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, das sich zum Auftrag gemacht hat Forschung, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur in einen Dialog zu bringen. //Von Kerstin Meinert
Weiterführende Links zur Ringvorlesung
Nachhaltigkeit wird im „Lexikon der Nachhaltigkeit“ durch mehrere Eigenschaften definiert, so gehören die dauerhafte umweltgerechte und ökologisch-dauerhafte Entwicklung dazu.
International Institute for Sustainable Development
„Sustainable development“ ist ebenfalls ein Bestandteil des Vortrages gewesen, damit ist ebenfalls nachhaltige Entwicklung gemeint. Dazu gehören der Austausch von Bedürfnissen und Einschränkungen verschiedener Bevölkerungsgruppen, der Gedanke der Umverteilung spielt hierbei eine Rolle. Es sollen Lasten von armen Bevölkerungsgruppen zu reicheren Gruppen verteilt und somit die Chance auf Entwicklung erhöht werden.
Clausewitz: Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft
Carl von Clausewitz hat zum ersten Mal versucht, den Begriff der Nachhaltigkeit zu definieren. In seinem „Sylvicultura oeconomica“ hat der dabei die notwendigen Bedingungen hierfür beschrieben. Er gilt als Urvater der Nachhaltigkeit. Seine Definition dient bis heute als Grundlage für die Einbettung des Begriffes Nachhaltigkeit.
Weltklimagipfel 1992: Agenda 21
Aus dem Weltklimagipfel in Rio 1992 entstand die Agenda 21, sie ist fokussiert auf soziale und wirtschaftliche Dimensionen. Die Erhaltung und Bewirtschaftung von Ressourcen für Entwicklung ist dabei ebenfalls eingebunden. Auch ist die Stärkung von wichtigen Gruppen als Ziel vorgegeben und die Möglichkeiten der Umsetzung werden benannt.
Die Erzeugung von Erneuerbaren Energien war ebenfalls Thema. Der nachfolgende Link zeigt die Zusammensetzung des Strompreises sowie den Anteil von Erneuerbaren Energien in Deutschland. Aus dem Text ist die Entwicklung im Energiesektor zu erkennen, der Anteil der Erneuerbaren Energien hat sich erhöht.
Porträt: Kerstin Meinert // Linkliste: Manuel Ernst // Bilder: Pascal Becker und Sascha Mohammadkhani