Wenn die Erderwärmung begrenzt werden soll, muss der Ausstoß von Klimagasen drastisch reduziert werden. Dafür müssen nach Einschätzung von Professor Hans-Joachim Kümpel jetzt die Weichen gestellt werden. Alles müsse auf den Prüfstand, auch Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Industrieabgasen. // Von Thiemo Theuer

Aufmerksames Lauschen im Hörsaal bei Professor Kümpels Vortrag. Foto: Patrick Wolf

Zum Auftakt der Ringvorlesung ließ Hans-Joachim Kümpel, Leiter des Projekts „Technische Wegen der Dekarbonisierung“ der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech keinen Zweifel: Der Klimawandel ist menschengemacht, die Konzentration des Klimagases CO2 in der Atmosphäre ist durch die Verbrennung fossiler Energieträger sprunghaft angestiegen. Seiner Meinung nach sollten deshalb alle Möglichkeiten zur Verringerung der CO2-Emissionen geprüft werden. Auch die sogenannten CCUS-Technologien (Carbon Capture, Usage and Storage) gehörten dazu, Technologien, mit denen CO2 aus den Abgasen energieintensiver Industrien abgeschieden und entweder im Boden gespeichert oder für weitere Industrieprozesse genutzt wird. Dieses CO2 würde nicht in die Atmosphäre gelangen und dort den Treibhauseffekt verstärken.

Handlungsbedarf trotz bisheriger Erfolge

Professor Kümpel klärt die Frage: „Brauchen wir eine neue Debatte zu CCS?“
Foto: Patrick Wolf

„Um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen, wird in Deutschland noch ein Umdenken und Einfallsreichtum benötigt“, ist Kümpel überzeugt. Ausgehend von 1990 als Referenzjahr müsste der Ausstoß von CO2 um 90 bis 95 Prozent verringert werden. Das sei eine Herausforderung, trotz der bisherigen Erfolge: So konnten in Deutschland durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien 160 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. „Deutschland hat eine Vorreiterrolle. Wenn wir als Industrieland das Ziel verfehlen, ist das ein schlechtes Signal“, sagte er. In vielen Bereichen müsse sich etwas ändern. Es käme beispielsweise auch darauf an, Lebensgewohnheiten zu ändern. Die Industrie spiele jedoch zweifelsfrei eine wichtige Rolle: Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes setzte sie allein in 2016 über 180 Millionen Tonnen CO2 frei.

Deutschland hat das technische Know-How

Nach Ansicht von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der accatech könnte CCUS dazu beitragen, die Emissionsminderungsziele für die Industrie in Deutschland bis zum Jahr 2050 zu erreichen. „Wir haben bereits das Know-how, um die bei industriellen Prozessen entstandenen CO2-Emissionen abzuscheiden und zu speichern bzw. stofflich zu nutzen und somit deutlich zu reduzieren“, so Kümpel. Vorreiter in den CCUS-Technologien sind bisher Norwegen und Deutschland. Norwegen ist aufgrund seiner langen Geschichte der Ölförderung vertraut mit der Beförderung und Speicherung von Gasen auf Hochsee, Deutschland besitzt seit den 60er Jahren den größten Erdgasspeicher Europas.

CCS könnte helfen, Klimaziele einzuhalten

In naher Zukunft wären beide Länder in der Lage bis zu 20 Millionen Tonnen CO2 einzuspeichern, das wäre die Hälfte der CO2-Menge, die 2017 in Deutschland freigesetzt wurde. „Wir müssen hier wieder vorangehen, wir können aufstrebenden Ländern ja keinen Vorwurf machen, wenn wir uns selbst nicht verbessern“. Wenn eine Infrastruktur entwickelt würde, die den Unternehmen einen leichten Zugang zu den Technologien ermögliche, könnte dies der Industrie helfen. Wirtschaftliche Einbußen durch Klimaauflagen könnte so abgefedert werden und das könnte auch die Verlagerung der industriellen Produktion in andere Länder stoppen.

Akzeptanz in der Bevölkerung ist notwendig

Professor Kümpel bedankt sich bei einem Studierenden für die anregende Diskussion. Foto: Patrick Wolf

Für eine solche Lösung fehlt es laut Kümpel in Deutschland an gesellschaftlichem Rückhalt. , Die Öffentlichkeit sei seit der Diskussion über Fracking diesen Technologien eher negativ gegenüber eingestellt. „Not in my backyard“ beherrschte die Diskussion um CCS in den 80er Jahren und auch heute befürchten viele, dass das Gas aus den unterirdischen Speichern austreten könnte. An dieser Stelle des Vortrags wurde angeregt diskutiert: Was sagen Langzeitstudien zu den Speichertechnologien? Wie sicher ist die Speicherung von CO2? Kümpel schätzt sie in Deutschland wegen der Prüfverfahren als sicher ein und wünscht sich, dass diese Frage öffentlich diskutiert und abgewogen werde.

Hier einige Meinungen aus der Studierendenschaft:
 

 

Weiterführende Links zum Thema:

1. https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/carbon_capture_and_storage_ccs_1785.htm
Lexikon der Nachhaltigkeit befasst sich vor allem mit den rechtlichen Grundlagen von CCS. Die Website beleuchtet gleichermaßen Chancen und Risiken von CCS (Carbon Capture and Storage). Es wird zudem auf den aktuellen Stand der Entwicklung eingegangen.

2. https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Nutzung_tieferer_Untergrund_CO2Speicherung/Downloads/faktenblatt-was-ist-ccs.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe geht auf ihrer Website mehr auf das eigentliche CCS verfahren ein. Es wird anhand von Sachtexten und anschaulichen Bildern erklärt, wie das CCS Verfahren im Einzelnen funktioniert. Die Abschnitte (Speicherung / CCs, was ist das? / Abscheidung / Tranport gestalten die Website sehr übersichtlich. Auf Chancen oder Risiken des CCS Verfahrens wird aber nicht eingegangen.

3. http://kraftwerkforschung.info/schellnhuber-ccs-technologie-nicht-daemonisieren/page/0/
Schellnhuber: CCS-Technologie „nicht dämonisieren“. Auf der Website Kraftwerk Forschung kommen die Befürworter des CCS Verfahrens zu Wort. Im Jahr 2011 wurde der Gesetzesentwurf zur Genehmigung von CCS Speichern gekippt. Damals verhinderte der deutsche Bundesrat das Gesetz. Im Artikel wird auch Prof. Dr. Hans Joachim Kümpel zitiert. Er drückt sein Unverständnis über die Beendigung der CCS Debatte aus.

4. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/siebte-nationale-maritime-konferenz.pdf?__blob=publicationFile&v=8
Nationale Maritime Konferenz, ausgerichtet vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Im Mai 2011 fand diese Konferenz statt, an der auch Prof. Dr. Kümpel teilnahm.
Sein Vortrag befasst sich mit der Rohstoffgewinnung vom Meeresboden. Auf drei Seiten ( Seite 114 – 117 ) erklärt Herr Kümpel, welche Rohstoffreserven sich in den Meerestiefen befinden und wie man diese fördern kann. Interessant: Der Anschlussredner befasst sich mit dem Thema CCS.

5. http://www.umweltinstitut.org/themen/energie-und-klima/kohle/ccs-ist-keine-loesung.html
Auf der Website des Umweltinstitut München e.V. kommen die Kritiker des CCS Verfahrens zu Wort. Sie geben zu bedenken, dass die Debatte über ein geeignetes Lager der Endlagerdebatte für Atommüll ähnelt. Außerdem wird die Technologie als gefährlich und zu energieintensiv beschrieben

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