Wie wird die Mobilität menschen- und klimafreundlicher? Verkehrsforscherin Barbara Lenz präsentierte wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema und gab Antworten auf zentrale Fragen. Das Hauptproblem ist ihrer Meinung nach der Deutschen liebstes Kind: das Auto. // von Selina Dederichs

Das Thema Verkehr und Mobilität boomt und wirft viele Fragen auf: Wie können die CO2-Einsparungsziele erreicht werden? Welche Rolle können neue Antriebstechnologien leisten? Was sollte der Staat tun? Was darf das kosten? Aus wissenschaftlichen Untersuchungen lassen sich bereits eine Reihe von Antworten ableiten. Barbara Lenz ist überzeugt: „Die Technik allein wird die Sache nicht richten. Wenn wir unser Verhalten nicht ändern, werden wir die Verkehrswende nicht schaffen.“ Für Barbara Lenz geht es jedoch um mehr als um CO2-Einsparungsziele; ihr ist insbesondere auch die Gestaltung des öffentlichen Raums wichtig.

 

 

Klimalücke im Verkehrssektor

Bild: Louisa Trinks

Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, in dem trotz technologischem Fortschritt der CO2-Ausstoß seit 1990 nicht reduziert wurde. Das Ziel von 85 Mio. Tonnen CO2-Äqivalent für 2030 wird nach aktuellen Prognosen um 41 Mio. Tonnen verfehlt. Auch Barbara Lenz ist überzeugt, dass die sogenannte „Klimalücke“ im Verkehrssektor nicht geschlossen werden kann: „Wir kriegen das nicht hin. Das große Problem ist: Es passiert nichts.“

Die Kilometer-Leistung von PKW ist gestiegen

Bild: Louisa Trinks

Das Hauptproblem sei das Auto. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass mittlerweile zwar weniger Wege mit dem Auto, aber dafür mehr Kilometer zurückgelegt werden. Dieses Phänomen wird durch die gemessene Verkehrsleistung sichtbar, bei der alle Fahrten addiert werden. Wenn nun weniger Wege, aber mehr Kilometer zurückgelegt werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Wege, die die Menschen unternehmen, länger werden. Die Forscherinnen und Forscher leiten aus diesen Ergebnissen und aus Befragungen ab, dass sich bei den Mobilitätsursachen nichts geändert hat, aber dass mehr dienstliche Wege dazugekommen sein müssen.

Verkehr nimmt in Städten zu

„Es muss eine Verkehrswende her“, sagt Prof. Dr. Barbara Lenz. Die Verkehrswende teilt sich in zwei Teilgebiete auf. Ein Teilgebiet ist die Mobilitätsgestaltung, wobei Mobilität für das Bedürfnis steht, von A nach B zu kommen. Das zweite Teilgebiet ist die Antriebswende, die sich von fossilen zu regenerativen Energiequellen entwickeln muss. Die Verkehrswende sei insbesondere in den Städten dringlich, da laut Barbara Lenz dort die Mobilität zunimmt. Im ländlichen Raum nehme sie sogar ab, was auch damit zu erklären sei, dass junge Menschen in die Städte ziehen.

Immer mehr Auto benötigen immer mehr Platz

Ein zentrales Verkehrs-Problem stellt die wachsende Zunahme von zugelassenen Autos dar. Im Vergleich zum Jahr 2012, in dem 42,9 Millionen Autos zugelassen wurden, sind es 2022 rund 48,5 Millionen. Das heißt, dass es jedes Jahr ungefähr eine halbe Million mehr Autos auf den Straßen gibt. Hierbei liegt die Zunahme vor allem in den ländlichen Regionen. Das Problem verstopfter Innenstädte sei demnach auch nicht mit E-Autos zu lösen. „Auch ein Elektro-Auto ist ein Auto“, sagte Barbara Lenz. Zusätzlich werden die Autos immer größer und schwerer. Während 1974 ein Durchschnittsauto wie der Golf 3,7 Meter lang war, liegt der Durchschnitt heute bei etwa fünf Metern. „Wenn wir weiterhin in diesen großen Autos denken, dann werden wir das Problem der Nutzung des öffentlichen Raums mit der Elektromobilität nicht lösen“, ist Barbara Lenz überzeugt.

Bildauszug aus dem Vortrag von Barbara Lenz

Neue Mobilitätsangebote sind gefragt

Bild: Anna Klugmann

Ein weiteres wichtiges Thema sei der Berufsverkehr. Laut Barbara Lenz haben dienstliche und berufliche Wege um circa 50 Prozent zugenommen. „Mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, ist für viele eine Gewohnheit“, sagte Prof. Dr. Barbara Lenz. Für dieses Problem gibt es allerdings Lösungsansätze. Das Klima könnte durch die Elektromobilität geschont werden, dies sei aber eine große Herausforderung, denn es gebe grade einmal knapp 700 Tausend vollelektrische Autos in Deutschland. E-Autos seien zudem deutlich teurer, da es gibt noch keinen Gebrauchtwagenmarkt gebe. Für eine grundlegende Änderung der Gewohnheiten seien neue Mobilitätskonzepte erforderlich, wie zum Beispiel das Prinzip des Carsharings. Für Barbara Lenz hat auch der ÖPNV eine Schlüsselfunktion. Er müsse ausgebaut und von anderen Angeboten ergänzt werden. „On-Demand-Angebote, die den ÖPNV nicht kannibalisieren, autonom fahrende Fahrzeuge und digitale Kommunikation könnten den ÖPNV attraktiver machen“, ist Barbara Lenz überzeugt.

 

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