Gefährdet die Entwicklung leistungsfähiger künstlicher Intelligenzen die Zukunft des Journalismus? Dieser Frage widmete sich die freie Journalistin Andrea Hansen in ihrem Gastvortrag. Ihrer Meinung nach sind es die Medienschaffenden und ihr Publikum, die darüber entscheiden und nicht eine Technologie. // von Leon Fix 

In ihrem Vortrag „KI in der journalistischen Praxis“ appelliert Andrea Hansen an die Studierenden, optimistisch zu bleiben, sich die Skepsis gegenüber Krisen und neuen Technologien zu bewahren, aber gleichzeitig auch bereit zu sein, sich an technische Neuerungen anzupassen. Bisher habe kein Medium ein anderes vollständig verdrängt, so Andrea Hansen und sie betont: „Wir brauchen im Journalismus viele smarte junge Köpfe.“ Ihrer Vorstellung nach kann KI dazu beitragen, Journalistinnen und Journalisten zu helfen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu fokussieren.

Strukturieren – auch eine Stärke von KI

Andrea Hansen fragt: Sollte KI im Journalismus verwendet werden? Bild: Maximilian Klotz

Andrea Hansen hatte im Vorfeld Fragen der Studierenden erhalten. Eine dieser Fragen lautete: „Sollten journalistische Medien KI verwenden“? Die Beantwortung mit „ja“ oder nein“ erschien ihr nicht sinnvoll und deshalb entschied sie sich, die Frage in Einzelthemen zu zerlegen. Das sei übrigens auch eine Stärke von KI: Mit Hilfe von KI lassen sich eigene Texte strukturieren und von Emotionen bereinigen. „Nutzen Sie ChatGPT als Sparringpartner, wenn Sie nur Kraut und Rüben im Kopf haben“ empfiehlt die Journalistin.

GEMA-Meldungen schreiben – ein Job für die KI

Eines dieser Einzelthemen sei es, zu hinterfragen, welche KIs überhaupt verwendet werden sollten und welche vielleicht schon seit Jahren im Einsatz sind. Der WDR verwende bereits seit Jahren eine KI, die Medieninhalte automatisiert durchforstet und GEMA-Hinweise hinzufügt. Eine Arbeit, die zuvor mit großem personellem Aufwand und akribischer Genauigkeit durchgeführt werden musste, wird somit an eine KI abgegeben. Auch deshalb, weil diese Aufgabe von Menschen oftmals nicht ausreichend gut erledigt wurde. Laut Andrea Hansen ist dies ein großer Vorteil: „Das ist eine riesige Zeitersparnis und ein risikofreier Einsatz von KI, weil die KI auf dieselben Daten zurückgreift, die ich nutzen würde.“ Auf diese Weise können sich Journalistinnen und Journalisten auf wichtigere Arbeiten fokussieren.

Zeitersparnis ist nicht alles

Ein Blick hinter die Kulissen: so nehmen die Studierenden die Vorlesung auf. Bild Maximilian Klotz

 „Werden wir alle sterben und ersetzt mich die KI?“ ist die nächste Frage, mit der sich Andrea Hansen in ihrem Vortrag auseinandersetzt. Oftmals liege die Entscheidung über den Einsatz von KI in der Hand der Medienmanager und hier herrsche oft eine eindimensionale Sichtweise vor. Andrea Hansen erteilt der alleinigen Fokussierung auf Zeitersparnis eine Absage: „ Meiner Erfahrung nach sind es nicht diese Medienhäuser, die die größte Transformationskompetenz mitbringen.“ Richtig sei, dass es von der Recherche über die Produktion bis hin zur Distribution künstliche Intelligenzen gebe, die in der Lage seien, Menschen repetitive Arbeiten abzunehmen. Zu sagen, wo KI schon überall im Einsatz ist, sei schwer. Der Fortschritt der Technik sei unaufhaltsam und nicht immer sofort etwas Negatives. Dies verdeutlicht sie am Aufwand für die Vor-Ort-Berichterstattung von Journalistinnen und Journalisten: „Früher sind wir mit ‚einem Reisebus‘ zu einer Liveschalte gefahren, heute kommt das Team mit einem Rucksack.“

KI ersetzt Einsprechen von Beiträgen

Ein aktuelles Beispiel, wie KI bereits zur Aufwertung journalistischer Arbeit verwendet wird, gibt es bei der Rheinischen Post. Hier werden synthetische Stimmen von Autorinnen und Autoren erstellt, die dazu verwendet werden, Beiträge automatisch abzuspielen. Die müssen dann nicht mühselig eingesprochen werden. Dadurch entstehe automatisch eine Verknüpfung zwischen dem Inhalt der Texte und der Stimme der jeweiligen Autorinnen und Autoren. „Das führt zur Personalisierung des Lesererlebnisses und führt auch zu einer verstärkten Kundenbindung“, so Andrea Hansen. Natürlich müsse intensiv in die IT-Sicherheit von Unternehmen investiert werden, die „synthetische Mitarbeitende“ verwenden, um missbräuchliche Verwendung dieser Systeme zu verhindern.

Chancen nutzen, aber nicht ohne Kontrolle 

Die Studierenden sehen KI kritisch: Menschen sollten kontrollieren. Bild: Maximilian Klotz

Diese Möglichkeit der Anwendung zeige, dass man bei KI nicht „wie die Kaninchen auf die Schlange sehen“ solle, äußert sich Andrea Hansen. Bei aller Begeisterung sei es dennoch wichtig, sich skeptisch zu bleiben. Denn eine KI könne immer nur so gut sein, wie die Datenbank, mit der sie erstellt wurde. Grade deswegen seien fähige Journalistinnen und Journalisten notwendig, die mit KI erstellte Inhalte in sogenannten Double-Cross-Checks auf Falschaussagen und Fehler überprüfen. Am Ende jeder Publikation sollte eine menschliche Instanz stehen, die den Beitrag gewissenhaft kontrolliert. „Beiträge sollen nach bestem Wissen und Gewissen entstehen“, fordert Andrea Hansen.

Technologiewandel gehört zum Journalismus

KIs werden aktuell in einigen Berufsfeldern als Krise angesehen. Jedoch nimmt man das eigene Empfinden und die durchlebten Krisen häufig intensiver als die der Anderen wahr. Aktuelle Krisen stellen oftmals Wiederholungen von älteren dar und sollten deshalb mit weniger Panik behandelt werden. „Fehleinschätzungen von Krisen wiederholen sich und sind Teil des menschlichen Daseins“, so Andrea Hansen. Das Erscheinen und Verschwinden von Technologien ist Teil des journalistischen Berufs. Sich seine Neugier zu bewahren und aufgeschlossen gegenüber Neuerungen zu sein, sei unerlässlich für Qualität im Journalismus. „Das ständige Dazulernen im Berufsalltag sollte als Privileg und nicht als Belastung angesehen werden“, erklärt Andrea Hansen. Veränderungen sollten als normale Erscheinung angesehen werden.

Medienkompetenz hilft gegen Fakenews

Ein Studierender teilt seine Meinung. Bild: Maximilian Klotz

Zur journalistischen Sorgfalt gehöre auch, Fake-Inhalte zu identifizieren und diese nicht weiterzuleiten. Eine gewisse Medienkompetenz, die in der Schule oftmals nicht ausreichend vermittelt werde, sei wichtig, insbesondere, um manipulierte Inhalte von echten unterscheiden zu können. Denn das Erkennen von Fake-Inhalten sei nicht zwingend abhängig von Generationen. Auch deshalb sei es wichtig, dass Journalistinnen und Journalisten über Kernkompetenzen verfügten, um die Verbreitung von Fake Inhalten zu verhindern.

Skepsis, aber auch vorsichtiger Optimismus bei den Studierenden

Einige Studenten hatten Debattenbeiträge vorbereitet, die nach dem Vortrag dem Publikum vorgestellt werden. Die Studenten zeigen sich eher kritisch gegenüber dem Einsatz von KI und finden es durchaus wichtig, Menschen als kontrollierende Instanz einzusetzen. Es wird aber auch Skepsis dazu geäußert, ob KI nicht doch eines Tages besser als der Journalist werden könnte. Aus der Debatte mit dem Publikum geht hervor, dass es auch hier als wichtig erachtet wird, KI kontrolliert zu verwenden. Somit unterstützen die Studierenden die Forderung von Andreas Hansen: „Am Ende muss der Mensch stehen und erst dann geht’s raus.“ Abschließend äußern sich einige Studierende, dass sie durchaus ein positiveres Gefühl bezüglich KI aus der Veranstaltung mitnehmen würden.

 

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