Kann Landwirtschaft zum Klimaschutz beitragen? Dr. Annette Freibauer ist davon überzeugt. Sie hält es für möglich, der Erdatmosphäre mit biologischen Negativemissionen jährlich bis zu vier Gigatonnen Kohlenstoff zu entziehen. Das sei gar nicht so wenig, denn keine Technologie zur Emissionsbekämpfung habe derzeit ein höheres Potenzial. // von Cezary Kukiel und Leonhard Reddig

Dr. Anette Freibauer bei ihrer Einleitung in den Vortrag. Foto: Stephanie Sander

Anette Freibauer war anfangs skeptisch, ob sich die Auseinandersetzung mit Negativemissionen lohne. Heute ist sie vom Gegenteil überzeugt: „Man kommt gar nicht darum herum, Negativemissionen in Betracht zu ziehen.“ Unter Negativemissionen verstehen Fachleute den Entzug von CO₂ aus der Atmosphäre; bei biologischen Negativemissionen wird das CO₂ in Pflanzen gespeichert, beispielsweise von einem Wald. Nach derzeitigen Berechnungen ist das Klimaziel, den Anstieg der Erdtemperatur auf 1,5 Grad zu begrenzen, nur dann erreichbar, wenn neben allen anderen Maßnahmen der Atmosphäre ab 2050 jährlich 20 Gigatonnen CO₂ entzogen würden.

Aufforstung, Humusaufbau und CCS tragen zum Klimaschutz bei

„Man hat begriffen, dass die regionalen Auswirkungen des Klimawandels sehr stark sein können“, erklärte Annette Freibauer, deshalb sei es so wichtig, die Möglichkeiten des biologischen CO2-Entzugs zu überprüfen. In ihrem Vortrag stellte sie fünf Optionen vor. In der Theorie versprechen die Maßnahmen bis zu zwölf Gigatonnen CO₂-Entzug pro Jahr. Laut Annette Freibauer sei jedoch in den meisten Fällen nur eine Umsetzung von bis zu zehn Prozent der theoretischen Mengen realistisch. Die erste Option, das Aufforsten der Wälder, käme so auf eine halbe bis ganze Gigatonne CO₂ pro Jahr. Beim Humusaufbau, der zweiten Option, käme man bei realistischer Betrachtung auf ungefähr eine Gigatonne pro Jahr. Als dritte Option nannte Annette Freibauer die Bio-Energie in der Kombination mit „Carbon Capture and Storage“ (CCS). Dort sei eine Einsparung von bis zu zwei Gigatonnen CO₂ pro Jahr umsetzbar. Die vierte Maßnahme, Pflanzen verwittern zu lassen, habe gegenüber der energetischen Nutzung in Verbindung mit CCS keine Vorteile. Von der fünften Option, der Meeresdüngung, hält Annette Freibauer gar nichts: „ Düngung des Ozeans ist gruselig. Kein Mensch weiß, welche Folgen das für das System hat “, erklärte sie.

Aufforstung benötigt wertvolle Ackerfläche

Warum schätzt Annette Freibauer aber den CO2-Entzug durch die verschiedenen Maßnahmen so viel geringer ein als andere? Am Beispiel der Aufforstung erklärte sie ihre Berechnung: In der Theorie wird hier von vier bis zwölf Gigatonnen CO2-Entzug pro Jahr gesprochen. Nach Annette Freibauers Vortrag bräuchte man dafür jedoch 20 bis 60 Prozent der „besten Böden“ der globalen Ackerfläche. Den Nutzungskonflikt zwischen dem Anbau von Lebensmitteln und der Aufforstung sei nicht zu unterschätzen. Des Weiteren müssten jedes Jahr weitere Flächen aufgeforstet werden, weil jeder Baum irgendwann aufhört zu wachsen und dann der Atmosphäre kein weiteres CO2 mehr entzieht.

„Humusaufbau ist eine mühsame Geschichte“

Voller Hörsaal – Die Studierenden folgen dem Vortrag und machen sich Notizen. Foto: Ali Peimudeh

Die in Frankreich gegründete „4-pro-Mille Initiative“, ist eine weltweite Initiative für die Anreicherung von Humus in Agrarböden. Ziel sei es, die globalen Bodenkohlenstoffvorräte jährlich um vier Promille zu erhöhen. Rechnerisch seien so bis zu zwölf Gigatonnen Negativemissionen pro Jahr möglich. Doch sei der Humusaufbau größtenteils standortabhängig, ein Beeinflussen eher schwierig, erklärte Annette Freibauer und stellt fest: „Humusaufbau ist eine mühsame Gesch
ichte“. Nur zwischen 30 und 50 Prozent der internationalen Humusvorräte seien überhaupt beeinflussbar. Der Aufbau des Humus sei aus CO₂-Sicherungs-Perspektiven eher riskant, da zeitaufwendig und mühsam. Auch hier hält sie nur zehn Prozent des theoretischen CO2-Entzugs für realistisch.

 

Bio-Energie niemals ohne Effizienzverlust

Bei der Bio-Energie in Kombination mit CCS soll Biomasse zur Energiegewinnung genutzt und das dabei freigesetzte CO₂ nach CCS-Verfahren gespeichert oder als Düngung für heranwachsende Biomasse genutzt werden. Dies funktioniert gemäß Annette Freibauer jedoch „niemals ohne Effizienzverlust“. Transportemissionen und aus dem Kreislauf emittiertes CO₂ müssten mit einberechnet werden müssen. Daraus resultiere ein Effizienzverlust von circa 20 Prozent.

Meeresdüngung ist keine Option

Auch den Fragen der Studierenden stellte sich Annette Freibauer und beantwortete sie gekonnt. Foto: Stephanie Sander

Eine Option, die Annette Freibauer strikt ablehnt, ist die Düngung der Weltmeere. Diese Maßnahme sieht vor, dass mit Eisendüngung das Algenwachstum angeregt werden soll. Da Algen wie andere Pflanzen CO₂ für das Wachstum benötigen, entziehen sie auch der Atmosphäre Klimagas. Bis zu 5,5 Gigatonnen Negativemissionen pro Jahr seien so zwar vorstellbar, aber die Auswirkung auf das Ökosystem der Meere sei nicht absehbar. „Solange es keine Folgenabschätzung gibt, darf eine Technologien nicht eingesetzt werden“, forderte Annette Freibauer.

Froh über jede Option „im Köcher“

Insgesamt kommt Annette Freibauer bei ihrer Berechnung auf einen CO₂-Entzug durch Aufforstung, Humusaufbau und CCS von nur vier Gigatonnen pro Jahr. Das klänge zunächst einmal nach „super wenig“ wenn man bedenke, dass ein Entzug von 20 Gigatonnen notwendig sei. „Wir müssen jedoch bedenken, dass wir nicht eine Emissionsminderungs-Technologie haben, die ein viel höheres Potenzial habe“, sagte sie. Man solle die genannten Maßnahmen in das Portfolio aufnehmen und ehrlich bewerten.

Nachfolgend einige Studierendenmeinungen zur Vorlesung:

 

Weiterführende Links zum Thema:

Link 1: http://www.senat-deutschland.de/freiwillige-klimaneutralitaet-des-privatsektors/
Ein wichtiger Ansatz zur Einhaltung des 2 Grad Ziels sei die weltweite Aufforstung, vor allem auf degenerierten Böden in den Tropen. Es ginge potentiell um bis zu 1000 Milliarden Hektar. Durch die Aufforstung würde nicht nur CO2 gebunden, es entstehe zusätzlich auch der wichtigste erneuerbare Rohstoff für die Zukunft, Holz. Und dies sei nur einer, von vielen weiteren Vorteilen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich von Aufforstung.

Link 2: https://www.zeit.de/2017/31/negativemissionen-klimaschutz-geoengineering/
In diesem Kommentar warnt der Autor Stefan Schmitt davor, sich zu sehr auf Negativemissionen zu verlassen. Er sagt, Negativemissionen seien fest eingeplant, jedoch würde bislang nur in Pilotprojekten negativ emittiert werden. Die Menschheit hat bald so viel CO2 ausgestoßen, wie sie maximal darf. Dann würde sie eine Negativtechnik benötigen, welche jedoch erst noch entwickelt werden muss. Er spricht in seinem Artikel von Geoengineering, nicht von den biologischen Negativemissionen. Dennoch ist es lohnenswert auch diese Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, da es fraglich ist, ob biologische Negativemissionen ausreichen werden.

Link 3: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klimaforscher-plaedieren-fuer-negative-emission15151141.html Hier geht es darum, dass mehr Geld für Forscher und Erfinder investiert werden sollen. Da Milliarden von Tonnen eingespart werden müssen, würden die aktuellen Techniken nicht ausreichen. Laut dem Artikel ist das 2 Grad Ziel ohne negative Emissionen auf keinen Fall einzuhalten. Und genau aus diesem Grund müsse mehr Geld in die Forschung gesteckt werden.

Link 4: https://www.stiftung-mercator.de/de/unsere-stiftung/presse/mitteilungen/nachrichten/negativeemissionen-keine-wunderwaffe-fuer-den-klimaschutz/
Auf dieser Website befindet sich eine Pressemitteilung zum Thema „Negative Emissionen keine Wunderwaffe für den Klimaschutz“. Laut einer Studie bergen die Techniken für negative Emissionen erhebliche Konflikte für Landnutzung, Wasserverbrauch oder Energiebedarf. Die Menschheit müsse Treibhausgasemissionen sehr schnell reduzieren. Negative Emissionen sollen nicht als Sicherungsnetz für eine aktuell zu geringe CO2-Reduktion verwendet werden. Eine solche Einstellung wäre risikoreich, denn sie könne dazu verleiten weiterhin viel CO2 in die Atmosphäre zu leiten. Plan A müsse sein, die Treibhausgase umgehend zu reduzieren.

Link 5: https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article138661819/Enormer-Zuwachs-fuer-die-Waelderder-Welt.html
In dem Artikel geht es darum, dass bis 2020 eine Waldfläche viermal so groß wie Deutschland aufgeforstet werden könne. Damit wirke man nicht nur dem Klimawandel entgegen, sondern zusätzlich dem Artensterben und
der Tropenwald Abholzung. Die Vernichtung natürlicher Waldökosysteme habe zahlreiche negative
Folgen wie den Verlust produktiver Böden, Grundwasserspiegel-Absenkung, Wasserverknappung –
und verursacht regionale Armut und Hunger durch verlorene Lebensgrundlagen in vielen Ländern.

Link 6: https://www.mcc-berlin.net/media/meldungen/meldungen-detail/article/negative-emissionen
keine-wunderwaffe-fuer-den-klimaschutz.html
Auf dieser Seite werden negative Emissionen zunächst einmal kritisch betrachtet. Laut einer Studie
bergen Techniken für negative Emissionen erhebliche Konflikte für Wasserverbrauch, Landnutzung
oder Energiebedarf. Menschen müssen Treibhausgasemisssionen so schnell wie es geht reduzieren.
Negative Emissionen sollen nicht als Sicherungsnetz für den aktuell zu hohen Verbrauch gesehen
werden. Plan A müsse sein, die Emissionen zu reduzieren und nicht auf den Plan B, die negativen
Emissonen zu setzen. Diese bergen laut MCC-Direktor Ottmar Edenhofer große Unsicherheiten, sind
aber trotzdem relevant wenn das 2° C-Ziel eingehalten werden soll. Eine Idee wäre es, CO2 zu
bepreisen.

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