Welchen Beitrag spielt die Kernkraft bei der Energieversorgung von morgen? Dr. Thomas Walter Tromm vom Karlsruhe Institut für Technik KIT ging in seinem Vortrag „Können Kernreaktoren das Klima retten?“ auf die Rolle der Kernkraft in wichtigen Weltregionen ein. Nach den aktuellen Prognosen wird die Kernkraftnutzung zunehmen. // von Jennifer Flury

Könnte die Energieversorgung noch gedeckt werden, wenn alle Kernkraftwerke abgeschaltet werden würden? Fakt ist, dass der weltweite Energieverbrauch von 1980 bis 2019 stetig gestiegen ist. Tromm findet die Frage, wie der Energieverbrauch verteilt ist, viel interessanter. Seine Meinung: „Den Weltregionen, die aktuell sehr wenig Energie verbrauchen, wie Afrika oder Mittel- und Südamerika, müssten wir einen Zuwachs des Primärenergieverbrauchs zugestehen.“ Doch wie soll der Energiehunger der Welt gedeckt werden? In wichtigen Regionen dieser Welt wird aktuell die Kernkraftnutzung forciert. Deshalb forderte Tromm: „Wir müssen uns vom Inseldenken verabschieden.“

 

 

Kernkraftnutzung wird in Europa zunehmen

Bild: Evelyn-Sophie Strauch

Nach einer Prognose des Programms Nukleare Entsorgung, Sicherheit und Strahlenforschung NUSAFE wird die Kernkraftnutzung in Europa bis 2040 leicht zunehmen. Die Europäische Kommission gehe nicht davon aus, ihre Ziele zur Energieversorgung ohne Kernenergie langfristig zu erreichen. In Deutschland sieht es anders aus: „Zurzeit gibt es noch drei aktive Kernkraftwerke, die Bundesregierung will bis Ende 2022 alle abschalten“, sagte Tromm. Dann müssten rund 33 Terrawattstunden durch andere Energieformen ersetzt werden.

Bildauszug aus dem Vortrag von Thomas Walter Tromm

Kernkraft ausbauen oder in Erneuerbare investieren?

Bild: Sophie Pfeffer

Auf die Frage, ob es sich lohnt, die Kernenergie weiterhin auszubauen, oder ob stattdessen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert werden sollte, antwortete Tromm „Das ist eine sehr kritische Frage. Wir am KIT, und ich persönlich, sind der Meinung, wir müssen die Erneuerbaren Energien vorantreiben.“ Es gebe momentan die Überlegung, die Reaktoren komplett runterzufahren und die Forschung in die Erneuerbaren zu stecken. In Deutschland seien wir zumindest auf diesem Weg, weltweit sehe das etwas anders aus. Zum Thema gegrenzter Uran-Ressourcen befragt, antwortet Tromm: „Wenn man den Preis dafür zahlen möchte, könnte man Uran sogar aus dem Meer holen.“ Die neuen Reaktortypen könnten auch Uran 238 nutzen, das schwer spaltbar ist und von dem es deshalb große natürliche Vorkommen gibt.

Japan und China setzen auf Kernkraft

In anderen Ländern stößt die Kernkraftnutzung auf mehr Akzeptanz als in Deutschland.
Sogar in Japan gingen 2015 wieder Reaktoren ans Netz, nachdem die Kernkraftnutzung nach dem GAU in Fukushima zunächst gestoppt wurde. Mittlerweile gibt es wieder 16 funktionsfähige Kernkraftwerke in Japan.

China hat einen neuen Reaktortyp entwickelt, der sich zu einem Exportschlager entwickeln könnte, so Tromm. Der Hualong One Reactor verfügt über neue Technologien, die so sicher sein sollen, dass im Störfall nicht mehr evakuiert werden müsse. „China ist bei der Kernkraftnutzung ein großer Player“, sagte Tromm.

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sind wichtig

Bild: Sophie Pfeffer

Auch die USA setzen auf Kernkraft. Mit den fast 100 Reaktoren werden ein Fünftel des Stroms erzeugt. Die neuste Entwicklung der USA ist der AP 1000, dieser gilt auch als „Fail Safe“.

In Frankreich wird sogar 70 Prozent der Stromerzeugung mittels Kernkraft erzeugt. Hier wird der EPR entwickelt, ein Druckwasserreaktor der dritten Generation, der unter anderem von dem französischen Unternehmen Framatome entwickelt wurde. Welche Reaktoren nun die Zukunft sein könnten, ist umstritten. Tromm sagte: „Vielleicht werden sich die Small Modular Reactors durchsetzen, die haben ein deutlich verbessertes Sicherheitsniveau.“

 

 

Interessante Links:

  • https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimaziele-atomausstieg-energiewende-atomkraft-100.html
    Deutschland könne die Klimaziele laut Wirtschaftsminister Habeck auch mit Atomausstieg erreichen. Deutschland wird seine Klimaziele frühestens 2024 erreichen können, der Rückstand für die kommenden zwei Jahre sei bereits zu groß. Mit dieser Prognose verpasste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der Ampel-Klimaschutz-Euphorie einen Dämpfer.
  • https://www.dw.com/de/faktencheck-ist-atomenergie-klimafreundlich-was-kostet-strom-aus-kernkraft/a-59709250
    Es wird auf die Frage, ob Atomenergie Klimafreundlich ist, eingegangen. Es wird erklärt, dass Kernenergie nicht emissionsfrei ist, aber auch, dass kaum eine Energieform emissionsfrei ist.
  • https://www.energiezukunft.eu/umweltschutz/wer-auf-kernkraft-setzt-reduziert-keine-emissionen/Die Kernenergie taugt nicht als Alternative beim Klimaschutz. Zu diesem eindeutigen Ergebnis kamen Forscher, die Daten aus 123 Ländern ausgewertet haben. Nur Länder, die konsequent auf Erneuerbare Energien setzen, reduzieren ihre Emissionen.
  • https://www.dw.com/de/kernfusion-die-bessere-atomkraft/a-5837857Seit Jahrzehnten arbeiten Forscher an einer neuen Art der Energieerzeugung – der Kernfusion. Ein Pilotprojekt soll den Durchbruch bringen. Doch die Technik ist komplex und teuer. Viele bezweifeln den Erfolg.
  • https://www.kernenergie.ch/de/so-funktioniert-ein-kernkraftwerk.htmlSo funktioniert ein Kernkraftwerk. Ein Kernkraftwerk produziert Strom aus Wärme. Es ist ein Wärmekraftwerk, wie es auch Kohle- oder Gaskraftwerke sind. Mit dem Unterschied, dass es bei der Wärmeproduktion weder Luftschadstoffe noch Treibhausgase erzeugt. Mit der Energie, die bei der Spaltung von Atomkernen frei wird, wird wie in einem Dampfkochtopf unter hohem Druck Wasser aufgeheizt. Dabei entsteht heißer Dampf. Dieser Dampf treibt eine Dampfturbine an, die mit einem Generator verbunden ist. Der Generator erzeugt schließlich Strom, der über das Stromnetz zu den Konsumenten geleitet wird.
  • https://www.bge.de/de/endlagersuche/Wenn in Deutschland von Endlagersuche die Rede ist, dann ist die Standortauswahl für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle gemeint. Bis 2031 soll er gefunden sein, der Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Gesucht wird im tiefen Untergrund in Deutschland. Die Europäische Union hat sich darauf geeinigt, dass jeder Mitgliedsstaat, der radioaktive Abfälle erzeugt, auch für die sichere Beseitigung oder dauerhafte sichere Lagerung dieser Abfälle verantwortlich ist. Die tiefengeologische Lagerung der hochradioaktiven Abfälle, also die Lagerung tief unter der Erde, ist die nach aktuellem Kenntnisstand sicherste Methode.
  • https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/ist-atomstrom-wirklich-co2-frei Atomstrom ist keineswegs CO2-neutral. Die Treibhausgasemissionen sind größtenteils der Stromproduktion vor- und nachgelagert. Betrachtet man den gesamten Lebensweg – von Uranabbau, Brennelementherstellung, Kraftwerksbau und -rückbau bis zur Endlagerung – so ist in den einzelnen Stufen des Zyklus zum Teil ein hoher Energieaufwand nötig, wobei Treibhausgase emittiert werden.
  • https://www.deutschlandfunk.de/flexibel-aktivierbar-oder-zu-viel-traege-100.htmlMit ihrem neuen Energiekonzept will die Bundesregierung in den nächsten 40 Jahren die Stromversorgung schrittweise auf vorwiegend erneuerbare Energien umstellen. Mit dem Betrieb von Atomkraftwerken sei dies kaum möglich, meinen Kritiker, denn sie bezweifeln, dass diese sowie Gaskraftwerke ausreichend flexibel an- oder heruntergefahren werden, um den schwankenden Bedarf zu liefern, der bei der wetterabhängigen Erzeugung von Strom in Wind- oder Sonnenkraftwerken entsteht.

 

Die gesamte Vorlesung gibt es hier zu sehen:

 

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