Klimaneutral leben – Das wird als das Ideal des Klimaschutzes angesehen. Aber ist dieses Ziel überhaupt erreichbar? Und welche Wege müssten eingeschlagen werden für eine CO2-neutrale Gesellschaft? Diese Fragen stellten sich Studierende an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg am Donnerstagabend, dem 06. Juni, im Rahmen der Ringvorlesung „Technik- und Umweltethik“. // von Franziska Franken
Im Mittelpunkt stand nicht wie gewöhnlich der Vortrag eines Experten, sondern die Diskussion der Studierenden. Die Debatte stützte sich dabei insbesondere auf Recherchen von Studierenden der Nachhaltigen Ingenieurswissenschaften, des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, die ihre Ergebnisse zu Beginn im Plenum vorstellten.
CO2-Neutralität ist ein Schlüsselbegriff der Klimaschutz-Debatte. Im Kern steht das Kohlenstoffdioxid: Ein Gas, das natürlicherweise in der Atmosphäre der Erde vorkommt. Seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ist der CO2-Anteil um 40% im Vergleich zum Ursprungswert gestiegen und damit höher als je zuvor in den vergangenen 800.000 Jahren. Die Folge: Es wird wärmer. Eisschilder und Gletscher schmelzen, extremes Wetter nimmt zu. Die Veränderung des Klimas könnte unvorhersehbare Folgen in vielen Bereichen des Lebens auf der Erde haben. Das 2015 beschlossene Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet daher die teilnehmenden Staaten dazu, ihre CO2-Bilanz drastisch zu senken. So soll die Erwärmung der Atmosphäre auf 2° Celsius gegenüber dem vorindustriellen Durchschnittswert beschränkt werden.
Senkung um das Fünffache nötig
Das möglichst viel CO2 eingespart werden muss, darüber waren sich die debattierenden Studierenden einig. „Ich bin der Meinung, dass wir unser Klima schützen müssen,“ meint Lorraine Feukou, Studentin der Nachhaltigen Ingenieurswissenschaften, die zum Begriff Klima und seinen Zusammenhängen recherchiert hat. Wie und in welchem Rahmen dies möglich sei war hingegen umstritten. Vor allem die aktuell in der Politik diskutierte CO2-Steuer polarisierte. Damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, muss der CO2-Fußabdruck, also die persönliche Bilanz des Einzelnen, verringert werden. Von heute 11,6 Tonnen CO2, die im Durchschnitt auf jeden Bundesbürger kommen, müsste der Schnitt auf zwei Tonnen pro Person gesenkt werden, um das 2°-Ziel erreichen zu können.
Inwieweit dies möglich ist zeigt das Beispiel des Reallabors „Klimaneutral Leben in Berlin“. In dem Projekt des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung wurde in zwei Jahren beobachtet, wie man die CO2-Bilanz von Haushalten senken kann. Dabei wurde in der Laufzeit des Projekts der durchschnittliche Wert von 11,6 auf 7,3 Tonnen pro Person gesenkt. Besonders die Umstellung auf Ökostrom, die energetische Sanierung von Häusern und die Umstellung der Ernährungs-, Reise- und Kaufgewohnheiten spielte in dem berliner Versuch eine Rolle. Gregory Alexander Peeters beschäftigte sich mit dem Projekt: „Jeder sollte sich die Frage stellen, wie der persönliche CO2-Fußabdruck reduziert werden kann.“ Eine Möglichkeit wäre eine Steuer, die Produkte und Dienstleistungen mit besonders hoher Bilanz verteuern würde.
Freiwillige Abgabe oder zwanghafte Steuer
Einige Studierende sprachen sich gegen eine verpflichtende Steuer aus. Sie vertraten die Meinung, dass eine Zwangsabgabe dazu führe, dass gesellschaftliche Ungleichheiten verstärkt würden. Reiche Personen, die sich die Zusatzkosten leisten können, die beispielsweise auf Flüge erhoben würden, könnten demnach weiterhin eine hohe CO2-Bilanz aufweisen, während finanziell schwächer gestellte diejenigen seien, die Verzicht üben müssten. So auch Betül Alkin, Fachrichtung Maschinenbau. „Ich denke auch, dass es für sozial schwächer gestellte Familien mehr Einschränkungen geben wird.“ Zudem wurde kritisiert, dass die Verpflichtung zum Umweltschutz die Menschen überfordere und nur ein stärkeres Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt einen nachhaltigen Wandel bringe. „Für mich schließt Verantwortung eine Überforderung aus“, meinte Felix Honighausen, Student der Nachhaltigen Ingenieurswissenschaften. „Wenn wir Pflichten auferlegen, hängen wir die Menschen ab.“
Als Beispiel für eine freiwilligen Abgabe wurden Kompensationszahlungen bei Flügen diskutiert. Hierbei wird für einen Flug je nach Kilometerzahl Geld gezahlt, das eingesetzt wird, um beispielsweise Wälder aufzuforsten. Firmen wie das Internetportal Atmosfair bieten solche Dienste an. Während einige Studierende dies als sehr positiv und als Schritt in die richtige Richtung bewerteten, sahen andere diese Möglichkeit kritisch und bemängelten, dass es den Anschein mache, als diene dieses Mittel dazu, sich von seiner Schuld freikaufen zu können, da der tatsächliche Kohlenstoffdioxid-Ausstoß nicht beeinflusst werde. Justin Grasmück, Nachhaltige-Ingenieurswissenschaften-Student, sprach sich für eine grundlegende Änderung von Alltagsgewohnheiten aus. „Das Problem ist, dass viele Bürger das noch nicht möchten.“
Unterschiedliche Meinungen im Plenum
Das sinnvoller Umweltschutz sich in der Praxis durchaus komplex gestaltet und es keine moralische Patentlösung zu geben scheint, zeigte auch das Meinungsbild des Plenums. Bei der Abstimmung, ob in Deutschland eine verpflichtende CO2-Steuer eingeführt werden soll, entschied sich eine knappe Mehrheit der Studierenden für „Ja“, eine beinahe ebenso starke Gruppe sprach sich gegen die Steuer aus.
Umfrage des Publikums während der Veranstaltung
Während der Veranstaltung wurden Umfragen mithilfe des Umfrage-Tools „Pingo“ durchgeführt. Hier die Ergebnisse:
Nachfolgend eine Meinungen eines Studierenden zu der Veranstaltung: