Im Vortrag „Das Cochlea Implantat im Spannungsfeld von Technik und Natur“ hat Marcus John die Funktionsweise und die Entwicklung der Gehörprothese vorgestellt. Ebenfalls hinterfragte John kritisch, ob diese technische Lösung der einzige Weg sei, um an einer lingual geprägten Gesellschaft uneingeschränkt teilnehmen zu können. //von Michael Kremer
„Hören ist etwas Wunderbares“, mit diesen Worten leitete John sein Referat im Rahmen der Ringvorlesungsreihe Technik- und Umweltethik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ein. Der promovierte Astrophysiker weiß, wovon er spricht. Nach mehreren Gehörstürzen verschlechterte sich sein Gehör massiv. Erst Jahre später ermöglichte ihm die Transplantation eines Cochlea Implantates (CI) einen Teil seines Hörvermögens zurückzuerlangen. Aber ist die Operation die einzige Lösung?
Das Cochlea Implantat ist keine Plug and Play Technologie
Bei einem CI werden Schallwellen digital codiert und an ein Elektronenband innerhalb der Hörschnecke gesendet. Die Elektronen wandeln das Signal in elektrische Impulse um und stimulieren die Nervenfasern in der Gehörschnecke. Durch die Bewegung der Nerven entstehen Signale, die als Informationen an das Gehirn gesendet werden. John erklärte, das Implantat sei keine Plug and Play- Technologie und der Umgang damit ein mehrmonatiger Lernprozess. „Da heißt es üben, üben, üben.“
Interview mit Dr. Marcus John
Gebärdensprache: vielsagend, vollständig und vollwertig
Neben der technologischen Lösung stand die Gebärdensprache im Fokus des Vortrages. Dass Kommunikation mit Hilfe von Gestik, Mimik und Körperhaltung eine vollständige Sprache ist, erläuterte der Astrophysiker folgendermaßen: „Jedes Wort, das es in einer Landessprache gibt, ist ebenfalls in der Zeichensprache vorhanden“. Die Ausdrucksfähigkeit umfasse sogar Dialekte und sei von Land zu Land unterschiedlich.
„Wer ist eigentlich behindert?“
Sprache und Kommunikation sind für den Menschen essenziell, dies wurde umso deutlicher, als John einen kurzen Ausschnitt aus der Tagesschau zeigte. Das Video hatte keinen Ton, dafür war eine Gebärdendolmetscherin zu sehen. Auf die anschließende Frage, wer wüsste, worum es in dem Beitrag ginge, antwortete das Publikum mit Schweigen. Sichtlich wenig überrascht warf John folgende Frage in den Raum: „Wer ist eigentlich behindert? Der Mensch mit dem Hörschaden oder der, der die Gebärdensprache nicht beherrscht?“ – überraschte und nachdenkliche Gesichter in allen Reihen waren die Folge.
Audioslideshow zu Dr. Johns Vortrag
Einander ergänzen statt abgrenzen
Im Fazit des Vortrages stellte John klar, dass es nicht entweder Cochlea Implantat oder Gebärdensprache heißen müsse, sondern dass sich diese beiden Möglichkeiten ideal ergänzen ließen. „Sprache bedeutet Kultur, Identität und Erkenntnisfähigkeit und ein Mensch ohne Sprache ist ein seelischer Krüppel.“
Weiterführende Links zum Vortrag
Informationen zum Choclea-Implantat
Diese Webseite vermittelt kurz und schlüssig die wichtigsten Infos zum Choclea-Implantat.
Die Apothekenumschau über Hörstürze
Dr. Johns Taubheit resultiert aus mehreren Hörstürzen. Die Apotheken Umschau informiert über die Ursachen und mögliche Therapie-Formen bei einem Hörsturz.
Die Funktion des Choclea-Implantats
Dieses Hersteller Video erklärt den Aufbau und die Funktionsweise eines Cochlea-Implantates.
Internetseite für Hörgeschädigte
Diese Internetseite wendet sich an Hörgeschädigte und die Menschen in ihrem Umfeld. Sie informiert über den Umgang mit der Behinderung.
Kontaktseite für Choclea-Implantat Betroffene
Diese Seite soll Interessierte oder auch Nutzer von Cochlear-Implantaten mit Nutzern des Implantatesin Kontakt bringen. Besucher der Seite können ihren Mentor nach ähnlicher Betroffenheit auswählen
Michael Kremer // Bilder und Audio-Slideshow: Sebastian Lesch, Marc Rutkowski // Videointerview: Martin Grünter, Marie-Theres Demmer // Links: Max Biermann