Die Energiewirtschaft spielt beim Klimaschutz eine zentrale Rolle: Fossile Energien müssen von klimafreundlichen Alternativen ersetzt werden. Doch welche Energieformen sind ethisch vertretbar? Professorin Eva Schill erklärt den Konflikt zwischen Klimazielen und Atomausstieg und wie Geothermie helfen könnte. // von Nur Uddin Chowdhury

Erneuerbare Energien gelten als klimafreundlich, weil bei ihrer Nutzung kein CO2 emittiert wird. Aber trifft das nicht auch für die Nutzung der Atomkraft zu? Für Professorin Eva Schill gibt es keinen Zweifel daran. Allerdings stellt sich für sie sofort die nächste Frage, die allerdings nur die Gesellschaft beantworten kann: Ist Atomkraft ethisch vertretbar? In Deutschland hat sich die Gesellschaft gegen die Atomkraft entschieden, hält sie für nicht akzeptabel. Akzeptanzprobleme gibt es laut Eva Schill aber auch bei Erneuerbaren Energien und nennt die Geothermie als Beispiel. Von dieser Technologie verspricht sich Eva Schill viel für den Klimaschutz.

 

Ethik befasst sich mit Verhaltenskodizes

Den Begriff Ethik erklärt Eva Schill als das methodische Nachdenken über Moral. Die Moral beziehe sich auf Verhaltenskodizes, die von der Gesellschaft, einzelnen Gruppen oder nur von einzelnen Personen akzeptiert würden. So wie beispielsweise der Klimaschutz, der von vielen gefordert werde.  „Der menschengemachte Klimawandel ist von der Gesellschaft anerkannt“, sagt Eva Schill „und damit auch die Notwendigkeit, Treibhausgase zu reduzieren.“ Wissenschaftler könnten mit ihren Forschungsergebnissen dazu beitragen, dass sich die Gesellschaft für Kodizes entscheidet, die von einer großen Mehrheit akzeptiert werden. So wurden beispielsweise die Auswirkungen der anthropogenen Treibhausgase in den Berichten des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, abgekürzt IPCC) aufgezeigt. In diesen Berichten haben Wissenschaftler Szenarien zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels entwickelt, die jetzt umgesetzt werden sollen.

Klimaschutz und Atomkraft-Ausstieg stehen im Konflikt

„Ja, die Kernenergie ist eine klimaneutrale Energieform“, so Schill in ihrem Vortrag (Foto: Pixabay)

Verhaltenskodizes können im Konflikt zu einander stehen. Für Eva Schill steht der Klimaschutz in einem Konflikt zum Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft. Die deutsche Politik hat diesen Ausstieg am 30. Juni 2011 beschlossen und der Beschluss erfolgte mit breitem parlamentarischen Konsens. Am Beispiel des Kernkraftwerks Neckarwestheim II in Baden-Württemberg erklärt Eva Schill, welche Bedeutung der Ausstieg aus der Atomkraft auf die Klimafrage hat: Obwohl durch dieses Kraftwerk jährlich acht Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, sprachen sich bei einer repräsentativen Umfrage in Deutschland 70 Prozent der Befragten weiterhin für den Atomausstieg aus. Rund 67 Prozent sahen darin sogar ein Modell für ganz Europa. „Der Ausstieg aus der Atomenergie ist ein nationaler Verhaltenskodex, der mit dem Ziel, CO2-Emissionen zu reduzieren, im Konflikt steht“, so Eva Schill.

Erneuerbare Energien ohne spürbaren Klimaeffekt

Für Baden-Württemberg habe der Konflikt zwischen Klimaschutz und Kernenergieausstieg nur eine geringe Bedeutung, da der Ausstieg durch erneuerbare Energien ersetzt wurde: „Die Kernenergie in Baden-Württemberg wurde im Wesentlichen durch Erneuerbare Energien ersetzt.“ Dass die Treibhausgasemissionen trotz des Ausbaus der Erneuerbaren Energien seit 2007 kaum reduziert wurden, liegt zum einen daran, dass klimafreundlicher Atomstrom ersetzt wurde, zum anderen, dass die Stromerzeugung nur circa 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Baden-Württemberg ausmacht. Eva Schill resümiert und fragt: „Bislang sehen wir keinen Effekt der Erneuerbaren Energien auf die CO2-Emissionen – ist die Fokussierung beim Ausbau der Erneuerbaren auf den Stromsektor eine unzulängliche Strategie?“

Die Wärmeenergie bei Geothermie kann über Bohrungen in der Erde angezapft werden. (Foto: Pixabay)

Wärmewende wäre mit Geothermie möglich

Auch diese Frage bejaht Eva Schill. Fossile Energieträger müssten nicht nur bei der Stromerzeugung, sondern auch in anderen Bereichen ersetzt werden. Tatsächlich machen fossile Energieträger immer noch 80 Prozent der Energieversorgung in Deutschland aus. Davon stamme aber nur ein Bruchteil aus heimischer Produktion, stellt Eva Schill fest und folgert: „Da wir die Förderung heimischer fossiler Energieträger wie Kohle oder Gas seit Jahren zurückfahren, haben wir die Gewinnung der Rohstoffe und die ethischen Konflikte in andere Länder verlagert.“ Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland würde nun die ethischen Konflikte wieder zurückholen. So würde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Konflikten kommen, wenn die Geothermie für die Wärmegewinnung ausgebaut würde. Dennoch befürwortet Eva Schill diesen Weg, weil über 50 Prozent der CO2-Emissionen von den verschiedensten Wärmeanwendungen verursacht werden. „Geothermie ist grundlastfähig, steuerbar, versorgungssicher und relativ kostengünstig“, unterstreicht die Geologin und Geophysikerin, „mit dieser Technologie wäre eine Wärmewende möglich.“ Bedenken gegenüber unerwünschten Effekten, wie der induzierten Seismiziät, seien berechtigt, aber technisch kontrollierbar.

 

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