Im Zuge der Energiewende rückt Wasserstoff immer mehr in den Fokus. Doch wie soll er produziert werden? Wie könnte man ihn einsetzen und ist er nachhaltig? Diesen Fragen ging die Ingenieurin Christina Kockel in ihrem Gastvortrag „Wasserstoff: Wunderwaffe für eine nachhaltige Energieversorgung?“. // von Pierre M. Brammen
Wasserstoff ist vor allem als Primärenergieträger vielversprechend. Unter Primärenergieträgern versteht man natürliche Energieträger in ihrer ursprünglichen Form. Nach Umwandlungsprozessen wird daraus die sogenannte Endenergie gewonnen. Diese wird an die Verbraucher geliefert, wo sie dann als Nutzenergie eingesetzt wird.
Nur grüner Wasserstoff ist nachhaltig
Laut Christina Kockel setzte man früher bei der Energieerzeugung den Fokus auf möglichst ergiebige Primärenergiequellen. Heute liege der Fokus eher auf den Bedürfnissen an Nutzenergie, die mit einem möglichst hohen Anteil an erneuerbaren Energien gedeckt werden solle. Wasserstoff spielt nach Meinung von Christina Kockel bei der Energieversorgung von morgen eine wichtige Rolle, müsse aber nachhaltig produziert werden: „Der Einsatz von Wasserstoff ist nur sinnvoll, wenn er grün erzeugt wird, denn er soll ja fossile Energieträger ersetzen.“ Je nach Produktionsverfahren wird Wasserstoff einer Farbe zugeordnet. Brauner Wasserstoff wird zum Beispiel aus Kohlevergasung gewonnen. Der einzige als nachhaltig geltende Wasserstoff ist grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Energien gewonnen wird.
„Wir müssen Wasserstoff importieren“
Am effizientesten lässt sich grüner Wasserstoff laut Kockel durch die Nutzung von Wind- oder Sonnenenergie herstellen. Allerdings übersteigt die Nachfrage in Deutschland die nationale Produktionskapazität deutlich. Für die Ingenieurin ist die Lösung ganz klar: „Wir müssen Wasserstoff importieren.“ Wichtig für den Import seien vor allem die technische Durchführbarkeit, der Preis, die ökologischen Folgen und nicht zuletzt die politischen Beziehungen zu den Importregionen und ethische Überlegungen.
Lebenszyklusanalysen berücksichtigt den gesamten Prozess
Kockel erklärt das Prinzip von Lebenszyklusanalysen, bei denen der gesamte Prozess von den Rohstoffen über die erforderlichen Anlagen und die Produktion bis hin zum Transport und der Verwendung berücksichtigt wird. Wasserstoff könne in bestehenden Pipelines transportiert werden, die jetzt für Erdgas genutzt würden. Das wäre günstiger als der Transport mit Schiffen, für den der Wasserstoff in einem Trägerstoff gelöst werden müsste. Sowohl der Schiffstransport als auch die Umwandlung des Wasserstoffs würden viel Energie verbrauchen und somit für CO2-Emissionen sorgen. Kockel sieht Pipelines zu windreichen Ländern wie Norwegen oder den Vereinigten Königreich als beste Alternative an. Die Herstellung von Wasserstoff in Afrika für den Export nach Europa sieht die Ingenieurin wegen des Wasserverbrauchs kritisch: „Sollen in Ländern, die eh schon eine Wasserknappheit haben, Entsalzungsanlagen für unseren Wasserstoff-Bedarf installiert werden?“
Einsatz von Wasserstoff vor allem in der Industrie sinnvoll
Wasserstoff könnte vielfältig eingesetzt werden, zum Beispiel zum Heizen, von Brennstoffzellenfahrzeugen oder im Flugverkehr. Die wichtigste Einsatzmöglichkeit sieht die Ingenieurin allerdings in der Industrie, weil es dort Bereiche gäbe, die schlichtweg nicht elektrifizierbar seien. Beispiele seien die Stahlerzeugung oder andere Prozesse, die hohe Temperaturen benötigten. Aktuell sei die größte Hürde für die Verwendung von Wasserstoff der hohe Preis von acht Euro pro Kilogramm. Im Anschluss an den Vortrag diskutieren die Studierenden die Wasserstoffstrategie der Bundesrepublik sowie verschiedene Herstellungsverfahren von Wasserstoff. Auch die Auswirkung von Pipelines auf Ökosysteme werden angesprochen. Ein ethisches Dilemma sei vermeidbar, wenn bei der Planung oder Umrüstung von Pipelines die möglichen Risiken berücksichtigt würden.
Interessante Links:
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/wasserstoff-technologie-1732248#:~:text=Wasserstoff%20ist%20ein%20flexibel%20einsetzbarer,Schiff%2D%20und%20Flugverkehr%20klimaschonend%20umzugestalten.
(Wasserstoff – Energieträger der Zukunft) Die Bundesregierung strebt eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen an und setzt dabei auf Wasserstoff als zukünftigen Energieträger. In dem Artikel werden die nationale Wasserstoffstrategie und internationale Kooperationen erklärt. - https://www.youtube.com/watch?v=qrTtsq02Kxo
(Alternative zu russischem Gas: Was kann Wasserstoff? | ZDFheute erklärt) Im Video werden die verschiedenen Herstellungs- und Transportverfahren von Wasserstoff erläutert. Die Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff werden erklärt. Es wird auch auf die Voraussetzungen für den Einsatz von Wasserstoff eingegangen. - https://www.youtube.com/watch?v=p62BZaHJSHo
(Wie Wasserstoff die Kohle der Zukunft werden kann | Gut zu wissen | Doku | Energie | BR) Die Dokumentation beleuchtet die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff für die Energiewende. Dabei wird die Herstellung und Nachhaltigkeit von Wasserstoff genau erklärt. Das Video behandelt auch den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie. - https://www.uni-augsburg.de/de/forschung/einrichtungen/institute/amu/wasserstoff-forschung-h2-unia/h2lab/h2-sp/transport/(
Transport von Wasserstoff) Forschende der Universität Augsburg haben über ihr Forschungsprojekt H2_Digilab diese Auflistung der verschiedenen Transportmöglichkeiten von Wasserstoff erstellt. Darin wird der Transport in Fahrzeugen, Pipelines und Schiffen erklärt und verglichen. Es wird auch erläutert, wie Wasserstoff gasförmig oder in einem Trägerstoff transportiert werden kann. - https://www.h-brs.de/de/tree/hydrogen-lab
(Hydrogen-Lab) Im Wasserstoff-Labor der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg werden technologisch fortgeschrittene Lösungen zu seiner Speicherung von Wasserstoff entwickelt. Speziell dafür wird eine H2-Forschungsinfrastruktur entwickelt und unter anderem die Möglichkeit der Speicherung von Wasserstoff in Metallhydriden untersucht.