Deutschland wird seine Klimaschutzziele verfehlen, ist der Energieexperte Professor Manfred Fischedick überzeugt. Dabei gibt es Ansätze, wie sogar die energieintensive Industrie einen Beitrag leisten kann. Sie gilt als einer der Hauptverursacher für CO2-Emissionen. Einige der Ansätze sind technischer Natur, auf andere hat jeder Einfluss. //von Tobias Zimmermann

Konzentriert folgen die Studierenden der H-BRS dem Vortrag Fischedicks. Verdeutlicht werden seine Worte durch anschauliche Folien. Foto: Sarah Kurscheid

Unter dem Namen “Dekarbonisierung – auch eine Aufgabe für die energieintensive Industrie” erläuterte Fischedick Probleme und Möglichkeiten der Dekarbonisierung im Industriesektor. Fischedick erklärte, das der Begriff Dekarbonisierung mit Treibhausgas-Neutralität erklärt werden könne: Eine dekarbonisierte Produktion würde nicht zu einer Anreicherung der Treibhausgase in der Atmosphäre führen. Auch die Klimakonferenzen hätten dieses Ziel, aber hier geht es Fischedick nicht schnell genug voran: „Leider muss man sagen, dass die Dynamik von Paris bei den letzten Klimaschutzverhandlungen abgebrochen ist.“

Die Industrie ist der größte Treibstoffemittent

Der Industrie kommt bei den CO2-Emissionen eine besondere Bedeutung zu. Sie ist laut Fischedick für rund ein Drittel aller Treibhausgase verantwortlich und damit der größte Emittent. Innerhalb der Industrie stoßen Stahl, Chemie und Zement mit der Hälfte der industriellen Emissionen das meiste CO2 aus. Insbesondere beim Zement ist dies weltweit steigenden Bevölkerungszahlen und Lebensstandards geschuldet. Allerdings müsse auch beachtet werden, dass durch industrielle Produktion die Emissionen an anderer Stelle eingespart werden können: So würden sparsamere Leichtlaufreifen der Chemieindustrie im Verkehrssektor zu einer Senkung der CO2-Emissionen führen, da der Kraftstoffaufwand geringer als bei älteren Reifentypen sei.

Energie muss effizienter genutzt werden

Industrieproduktion ist kein Selbstzweck, sagte Fischedick. Dennoch müssten alle Ansätze zur Einsparung von CO2-Emissionen ausgeschöpft werden. An erster Stelle nannte er die Steigerung der Energieeffizienz von Produkten und Anlagen. Das sind Maßnahmen wie beispielsweise die Isolierung von Öfen oder Abwärmenutzung. Mit der konsequenten Nutzung der besten verfügbaren Technologien könne man aktuell die Energieeffizienz um bis zu 25 Prozent steigern. Bei Einsatz sogenannter Low Carbon Break Through-Technologien wie beispielsweise strombasierten Stahl-Herstellungsverfahren wären sogar bis zu 50 Prozent denkbar.

Fischedicks Vortrag ist gut besucht – nicht nur Studierende der H-BRS sind anwesend. Foto: Sarah Kurscheid

CO2 vermeiden, speichern oder verarbeiten

Ein weiterer Ansatz ist die Steigerung der Emissionseffizienz. Damit ist die Verringerung von CO2-Emissionen, die langfristige Speicherung von CO2 oder die Nutzung von CO2 für industrielle Prozesse gemeint. Die CO2-Emissionen können beispielsweise durch die Gas- statt Kohleverstromung gesenkt werden. Mit der Einführung von Carbon Capture and Storage CCS, also der Speicherung von CO2 im Boden, könnte man ebenfalls den Ausstoß des Klimagases verringern. Zudem könne CO2 in sogenannten Power-to-X Verfahren für die Herstellung von Kraftstoffen und Industrierohstoffen genutzt werden.

Effiziente Materialnutzung spart Geld

Auch eine höhere Materialeffizienz würde den CO2-Ausstoß senken. „Beispiele für eine höhere Materialeffizienz sind die Reduktion von Materialverlusten beim Stanzen und Prägen von Metallteilen, die Wiedernutzung von Stahl ohne neuerliches Einschmelzen oder das Re-Recycling“, erklärte Fischedick. Herstellungsprozesse würden so optimiert, dass weniger Materialverlust oder auch langlebigere Produkte entstehen würden. Damit könnten die CO2-Emissionen in Deutschland gesenkt und zudem jährlich 45 Milliarden Euro eingespart werden.

Mit interessanten Fragen beteiligten sich die Studierenden an dem Vortrag. Foto: Sarah Kurscheid

Nachhaltiger Konsum verringert den CO2-Ausstoß

Auch die Verbraucher haben Einfluss auf die CO2-Emissionen. Je mehr konsumiert wird, desto höher sind die produktionsbedingten Emissionen. Mit der sogenannten Produktionsnutzungseffizienz ist die Intensität der Nutzung von Konsumgütern gemeint, sie kann erhöht werden. So werden beispielsweise Autos beim Car-Sharing intensiver genutzt als von Einzelpersonen. Letztlich müssten die Konsumenten ihr Verhalten ändern, um die Produktionsnutzungseffizienz zu erhöhen, ist Fischedick überzeugt. „Wir müssen auf weniger großem Fuß leben“, brachte Fischedick die Einflussmöglichkeiten jedes einzelnen auf den Punkt, „die Industrie ist nicht allein der Verursacher der Treibhausgas-Problematik.“

Politik muss Klimaschutz durchsetzen

Um das Klimaschutzziel von 2020 zu erreichen, müsste Deutschland in den kommenden zwei Jahren weitere zwölf Prozent Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einsparen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das erreichen, ist ziemlich nah bei null“, sagte Fischedick. Um das Klimaschutzziel von 2030 zu erreichen – im Vergleich mit 1990 soll der CO2-Ausstoß um 55 Prozent verringert werden – müssten die bisherigen Einsparungen in den kommenden zwölf Jahren verdoppelt werden. Fischedick hält deshalb schärfere politische Regelungen für erforderlich. Er begrüßte, dass die neue Bundesregierung die Emissionen einzelner Sektoren wie Industrie oder Verkehr aufgeschlüsselt und Vorgaben für die Reduktionsziele festgelegt hat. Auch die geplante Einführung eines Klimaschutzgesetzes, welches die Nichterfüllung sanktionieren kann, hält er für sinnvoll.

Nachfolgend einige Meinungen der Studierenden zu dem Vortrag:

 

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