Grünes Wachstum gibt es nicht, die bisherigen Nachhaltigkeitsbemühungen waren ohne Wirkung. Niko Paech, Begründer der Postwachstumsökonomik, ist zudem überzeugt, dass nicht Technik, sondern nur ein kultureller Wandel vor weiteren Umweltschäden schützen, dem Klimawandel entgegenwirken und Krisen vorbeugen kann. // von Maxim Politow

Für Niko Paech, Professor für Postwachstumsökonomik an der Universität Siegen, zeigt die Corona-Pandemie die Schwächen des Wirtschaftssystems auf: „Corona ist für mich ein Prozess der Aufdeckung.“ Die Krise habe gezeigt, dass eine Wirtschaft, die auf Arbeitsteilung und globalen Wertschöpfungsketten beruhe, anfällig sei. Die Lösung seien resiliente, nachhaltige Systeme, in denen weniger industriell produziert und gearbeitet und mehr Zeit mit gemeinschaftlichen Aufgaben verbracht werde. Technik habe bislang nie Probleme gelöst, ohne auch nachteilige Wirkungen zu entfalten.

Wachstumsdogma führt in die Sackgasse

Produktionen und Umweltverschmutzung soll möglichst unterbunden werden. Quelle: Pixabay

Niko Paech beginnt seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf weniger als 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, seiner Meinung nach nicht mehr einzuhalten ist. Eine Erwärmung von 2 Grad hält er für realistischer, aber immer noch für sehr ambitioniert. Auch am Beispiel des Country Overshoot Days zeigt er, dass „die Strategie, ein grünes Wachstum zu erreichen, krachend gescheitert ist.“ In Deutschland wurden bereits am 3. Mai die Ressourcen für das gesamte Jahr verbraucht, danach habe die Bundesrepublik auf Pump gelebt. Mit diesem Einstieg in die prekäre aktuelle Lage zeigt Paech auf, dass das Dogma des ständigen Wirtschaftswachstums in die Sackgasse geführt habe.

 

Technik hat ihren Preis

Technischer Fortschritt dient Paech zufolge als Alibi. Menschen relativieren ihr umweltschädliches Verhalten, indem sie sich darauf verlassen, dass die zukünftigen Technologien den erzeugten Schaden wieder reparieren könnten. Beispielhaft für dieses Verhalten sei: “Ich fliege zwar mit dem Flugzeug, aber die Technik wird das schon ausgleichen.” Paech spricht auch den Rebound-Effekt von Technik an, nachdem nichts zum Nulltarif zu haben sei. Der Bau von großen Windrädern würde beispielsweise wegen der notwendigen Wege und Fundamente, die gebaut werden müssten, Natur irreparabel zerstören. Paech zog den Vergleich mit der Thermodynamik, nach der in der es nichts umsonst gibt. Für ihn sei dies eine Philosophie.

 

Technologischer Fortschritt erfordert Wirtschaftswachstum

Der Klimawandel ist das größte ökologische Problem. Quelle: Pixabay

Paech erläutert, dass technischer Fortschritt zu Massenarbeitslosigkeit führen könnte. So habe Technik die Arbeitsproduktivität ständig erhöht – von der Erfindung der Dampfmaschine über die Elektrifizierung, die Automatisierung bis hin zur Digitalisierung. „Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität führt auch dazu, dass Menschen nicht mehr gebraucht werden und dass deshalb die Wirtschaft wachsen muss, um soziale Probleme zu vermeiden.“ Er führt eine Studie an, aus der hervorgeht, dass durch die Digitalisierung 17 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen könnten. „Wir standen noch nie vor so eklatanten Wachstumsgrenzen”, sagt er. Zudem sei die Spezialisierung im Rahmen globaler Wertschöpfungsketten verletzlich: “Wir haben eine Kartenhausökonomie aufgebaut, es reicht ein Windstoß, ein Virus oder eine sonstige Krise, um das Kartenhaus einstürzen zu lassen.”

Produktion und Konsum sinnvoll reduzieren

Ziel müsse es sein, ein resilientes System nach dem Vorbild der Postwachstumsökonomie zu entwickeln. Das Wachstum müsse gedrosselt und die Produktion so reduziert werden, dass Ressourcen nicht übermäßig verbraucht würden. Der Konsum müsse gedrosselt werden. „Kein Konsum ist keine Lösung, aber nach einer Sättigung der Bedürfnisse macht Konsum nicht glücklicher“, sagt Paech und verweist auf Ergebnisse von Studien. Industrielle Versorgung müsse mit Selbstversorgung und Reparaturkultur ergänzt und mit Sharing-Konzepten kombiniert werden. Eine solche neue Wirtschaftsweise sei auf regionaler Ebene einfacher als im globalen Maßstab umzusetzen.

Vom Konsumenten zum Prosumenten

Durch soziale Wirtschaft kann eine Postwachstumsökonomie entstehen. Quelle: Pixabay

Einen Lebensstil, den der Wachstumskritiker befürwortet, ist das Prosumenten-Dasein. Menschen sind nicht nur Konsumenten, sondern bauen selber etwas an, reparieren etwas oder betätigen sich in anderer Weise produktiv. Nach Paech sind viele Menschen in Deutschland beruflich so spezialisiert, dass sie abgesehen von ihrem Beruf wenig beherrschen. Als Beispiel nennt er vor allem handwerkliche Fähigkeiten. „Stellen Sie sich vor, Sie würden zusammen mit Reparaturcafés oder anderen Netzwerken Textilien, Möbel, Autos und Endgeräte so instand halten, dass sie doppelt so lange genutzt werden können – mit wieviel Geld kämen Sie aus?“, fragt er die Studierenden. Sicherlich kämen sie mit weniger Geld aus und müssten folglich weniger arbeiten. Dann könne die Wirtschaft kleiner werden und jeder Einzelne hätte mehr Zeit, sich mit seinen Fähigkeiten in die Gemeinschaft einzubringen. Dabei soll es nach Paechs Konzept möglich sein, zwanzig Stunden in der Woche „normaler” Erwerbsarbeit nachzugehen und weitere zwanzig Stunden für die „marktfreie” Versorgungszeit zu haben. „Mit diesen Praktiken wären wir besser vor den Eruptionen des Weltmarktes geschützt“, sagt Paech und ergänzt: „Sicherlich würde das auch zu weniger Zukunftsangst führen.“

 

Links:

 
Die gesamte Vorlesung gibt es hier zu sehen:

 

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